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Entwicklungsperspektiven im Kältemittelbereich

Im Fokus: Low-GWP-Wert und Thermodynamik

Die heute bekannten Sicherheitskältemittel auf Basis halogenierter Kohlenwasserstoffe (FCKW, H-FCKW) sind bereits in den 1930er-Jahren entwickelt worden und haben sich seither kaum verändert. Seit den 1990er-Jahren bestimmen zwei Faktoren entscheidend die Entwicklung im Kältemittelbereich:

  • der stratosphärische Ozonabbau durch die aus den halogenierten Kohlenwasser­stoffen in größeren Höhen unter UV-­ Einstrahlung freigesetzten Halogene (vor allem Chlor) sowie
  • der atmosphärische Treibhauseffekt, der durch die Emission von Treibhaus­gasen, wie z.B. CO2 oder bestimmten Kälte-mitteln mit einem hohen GWP-Wert (GWP = Global Warming Potential), verursacht wird.

So verpflichtet das inzwischen von 195 Staaten unterzeichnete Montreal-Protokoll von 1987 die einzelnen Länder zur Reduktion und schließlich vollständigen Abschaffung der Emission von chlor- und bromhaltigen Chemikalien, die stratosphärisches Ozon zerstören. Zudem legt das im Februar 2005 in Kraft getretene Kyoto-Protokoll erstmals völkerrechtlich verbindliche Zielwerte für den Ausstoß von Treibhausgasen in den Industrieländern fest, welche als eine der Ursachen für die globale Erwärmung gelten. Dazu zählen die häufig als chlorfreie Ersatzkältemittel verwendeten FKW oder H-FKW. Im Vergleich zu Kohlendioxid, dem Treib­hausgas mit dem größten Anteil in der Atmosphäre, besitzen diese Stoffe einen signifikant höheren GWP-Wert. So ist die Emission von 1 kg des in mobilen Klimaanlagen verwendeten R 134a in etwa gleichzusetzen mit 1430 kg CO2. Dies entspricht einem GWP-Wert von 1430.

Keine einheitlichen Rahmenbedingungen

Bei der Umsetzung dieser beiden Protokolle gibt es keinen einheitlichen Ansatz. Die Europäische Union setzt zum Beispiel auf Regulation durch entsprechende Stichtags-Verordnungen. So gilt nach EU-Verordnung EG 1005/2009 seit dem 1. Januar 2010 ein Serviceverbot für H-FCKW-Neuware (insbesondere R 22). Dies bedeutet, dass bis Ende 2014 lediglich regenerierte bzw. recycelte H-FCKW (R 22) zur Instandhaltung und Wartung von Klima- und Kälteanlagen eingesetzt werden dürfen, bevor ab dem 1. Januar 2015 ein generelles Verwendungsverbot für diese Substanzen gilt. Und die am 17. Mai 2006 verabschiedete MAC-Direktive (Mobile Air Conditioning Directive, 2006/40/EG) regelt die Verwendung von fluorierten Treibhausgasen als Kältemittel in den besonders leckageanfälligen Klimaanlagen von Kraftfahrzeugen: So müssen in der EU ab 2011 Kältemittel in Klimaanlagen von Neufahrzeugen unter 3,5 t einen GWP-Wert von weniger als 150 besitzen. Ab 2017 gilt diese Verordnung ohne Einschränkung für alle Neufahrzeuge.

Außerhalb der EU existieren dagegen andere Rahmenbedingungen. In den USA hat die Regierung zwar die Initiativen einzelner Bundesstaaten aufgegriffen und weitergeführt, jedoch besteht hier eine größere Tendenz zur Selbstregulierung über Marktmechanismen wie sogenannte Cap Allocation (Deckelung und Kontingentierung) & Trade-Modelle. Japan will den jährlichen Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 um 60 bis 80 Prozent verringern. Hier sind Industrie und staatliche Institutionen traditionell bestrebt, die entsprechenden Regelungen in einem übergreifenden Konsens zu treffen. Entwicklungs- und Schwellenländer sind bislang allerdings kaum bis gar nicht in die oben beschriebenen Prozesse eingebunden.

Low-GWP-Kältemittel forcieren

Die europäische MAC-Direktive hat die Entwicklung sogenannter Low-GWP-Kältemittel für mobile Klimaanlagen in Gang gebracht. Da die Automobilindustrie global ausgerichtet ist, ist eine weltweit akzeptierte und einsetzbare Lösung gefragt. Diese könnte auch die Entwicklung in anderen Kältebereichen beeinflussen. Für stationäre Kälteanlagen in Supermärkten und Lagerhäusern, Klimaanlagen in Wohn- und Geschäftsgebäuden sowie große Systeme zur industriellen Kühlung existieren derzeit keine globalen, einschränkenden Vorschriften bezüglich der Verwendung von HFKW. Um den Umstieg auf Low-GWP-Kältemittel zu forcieren, eignen sich sowohl markt- als auch umweltorientierte Cap Allocation & Trade-Modelle (Bild 1).

Dabei wird die jährlich zur Verfügung stehende Gesamtkältemittelmenge beschränkt (Deckelung = Cap) und jeder Tonne Kältemittel ein spezifischer Wert zugewiesen, der z.B. in CO2-Äquivalenten ausgedrückt werden kann. Jedem Kältemittelhersteller oder Verbraucher wird aufgrund historisch ermittelter Verbrauchszahlen eine bestimmte Anzahl solcher CO2-Äquivalente in Form von Zertifikaten zugewiesen. Rüstet er seine Anlagen nun auf Low-GWP-Kältemittel um, kann er die nicht mehr benötigten Zertifikate an andere verkaufen. Der Preis dafür richtet sich nach Angebot und Nachfrage. Um weitere Anreize zu schaffen, kann die Anzahl der für den Handel ausgegebenen Zertifikate über die Zeit immer weiter verringert werden. Experten erwarten, dass mit einem solchen Modell von Anfang an eine gewisse Dynamik einsetzen wird. Denn anders als bei Stichtags-Regelungen besteht hier keine Tendenz zum Abwarten und Aussitzen, da die frühzeitige Umrüstung auf Low-GWP-Kältemittel finanziell belohnt wird.

Komplexes Anforderungsprofil

Die Anforderungen an Kältemittel der dritten Generation sind vielfältig:

  • kein Ozonabbaupotenzial (ODP = 0),
  • möglichst geringes Treibhauspotenzial,
  • hohe Energieeffizienz und Sicherheit,
  • Kompatibilität mit bestehender Kältetechnik sowie
  • weltweite Akzeptanz.

Für den Einsatz in mobilen Klimaanlagen kommen noch Sicherheitsaspekte, wie geringe Toxizität und Entflammbarkeit, gute Mischbarkeit mit den üblicherweise eingesetzten Schmiermitteln sowie universelle Einsetzbarkeit in allen Klimazonen der Erde und sämtlichen Pkw-Modellen hinzu.

Mit mehr als 75 Jahren Erfahrung ist DuPont heute einer der führenden Hersteller von Kältemitteln und hat sich frühzeitig mit der Entwicklung nachhaltiger und leistungsfähiger Kältemittelalternati­ven beschäftigt. So präsentierte das Unternehmen 2007 zusammen mit Honeywell das Ergebnis langjähriger Forschungsarbeit: HFO-1234 yf, das zur Stoffgruppe der Hydrofluorolefine (HFO) gehört. Die Kommerzialisierung dieses Kältemittels ist bis zum Jahr 2011 geplant, so dass es rechtzeitig zum Inkrafttreten der europäi­schen MAC-Direktive zur Verfügung steht.

HFO-1234 yf globale Lösung für MAC-Anwendungen?

HFO-1234 yf besitzt kein Ozonabbaupotenzial, und sein GWP-Wert von 4 liegt weit unterhalb des von der EU-Richtlinie ge­forderten Richtwerts von 150. Aufgrund seiner hohen Energieeffizienz d.h. für den Betrieb der Klimaanlage wird nur wenig Energie verbraucht kann es auch zur Reduktion der indirekt durch den Kraftstoffverbrauch verursachten Treibhausgas-Emissionen beitragen. Die sogenannte Life Cycle Climate Performance (LCCP), also der Umwelteinfluss über die gesamte Lebensdauer, ist in allen Klimaregionen der Welt geringer als bei R 134a und CO2 (Bild 2). Darüber hinaus beträgt die Verweildauer in der Atmosphäre nur 11 Tage, im Gegensatz zu 13 Jahren bei R 134a und mehr als 500 Jahren bei CO2.

Untersuchungen zur Entflammbarkeit haben ergeben, dass der Einsatz des Kältemittels in mobilen Klimaanlagen auch im Falle eines Unfalls kein erhöhtes Sicherheitsrisiko darstellt. Umfangreiche Toxizitätstests haben gezeigt, dass HFO-1234 yf auch zu keiner erhöhten Belastung der Fahrzeuginsassen führt andere Alternativen wie CO2 können dagegen bei zu hohen Konzentrationen zu Gesundheitsgefährdungen wie Benommenheit und Ohnmacht führen.

Diese Ergebnisse wurden durch zahlreiche unabhängige Institute und Organisationen bestätigt, die die Eignung dieses Kandidaten als Alternative zu R 134 a analysiert haben. So hat die amerikanische Society of Automotive Engineers (SAE) im Rahmen seines SAE International Cooperative Research Program (CRP), das von großen Automobilherstellern wie Chrysler, Ford, General Motors, Fiat, Jaguar, Land Rover, Hyundai, PSA, Renault und Toyota unterstützt wird, das neue Kältemittel in Bezug auf Sicherheits- und Leistungsaspekte untersucht. Ergebnis dieser Studie: HFO-1234 yf weist beim Einsatz in Klimasystemen im Vergleich zu den anderen untersuchten Alternativen das geringste Risiko auf und erfüllt zudem am besten die Umwelt- und Kundenanforderungen. HFO-1234 yf soll deshalb ab 2011 bei den in der EU verkauften neuen Pkw-Serienmodellen R 134 a ersetzen. Alle großen Automobilhersteller arbeiten derzeit an dieser Umstellung.

Ähnliche thermodynamische Eigenschaften

Da das Kältemittel ähnliche thermodynamische Eigenschaften wie R 134a besitzt, ist es kompatibel zur herkömmlichen Klimaanla­gentechnik (Bild 3 und Tabelle 1). Die Umrüs­tung von R 134 a auf HFO-1234 yf erfordertdemnach keine aufwendigen und kostenintensiven Veränderungen an der derzeit aktuellen Technologie. Experten halten deshalb auch den zunehmenden Einsatz von HFO-1234yf als Retrofit-Kältemittel in bestehenden Kfz-Klimaanlagen für möglich.

Über den Einsatz als Alternativkältemittel in Kfz-Klimaanlagen hinaus untersucht DuPont auch die Eignung dieser Substanz für andere Kältebereiche. Allerdings sind die Anforderungen hier vielschichtiger als bei mobilen Klimaanlagen, denn die Systeme basieren auf einer wesentlich komplexeren und differenzierteren Anlagentechnik. So muss aufgrund der in der Regel höheren Füllmengen z. B. die Entflammbarkeit, neu bewertet werden. Um die erforderlichen Leis­tungsprofile abdecken zu können, werden neben Kältemitteln auf der Basis von Einzelmolekülen wie HFO-1234 yf auch Kältemittelgemische untersucht werden. Bei solchen Low-GWP-Blends spielen auch die thermodynamischen Eigenschaften wie der Temperaturgleit eine wichtige Rolle.

Erste von DuPont durchgeführte Untersuchungen haben gezeigt, dass die Leistungswerte von heute eingesetzten Sicherheitskältemittel R 134 a auch durch Low-GWP-Gemische erreicht werden können. Bei der angestrebten Nichtentflammbarkeit können GWP-Werte um ein Vielfaches reduziert werden, was eine signifikante Verbesserung gegenüber heute üblichen HFKW-Kältemitteln darstellt.

Vom Volumenprodukt hin zum Spezialprodukt

Derzeit entwickelt und testet das Unternehmen verschiedene Blends für den Einsatz in stationären Kälteanlagen, Klimaanlagen und Kühlwassersätzen. Diese sind nicht oder nur schwer entflammbar und besitzen einen niedrigen Temperaturgleit. Aufgrund ihrer vorteilhaften thermodynamischen Eigenschaften, die mit denen herkömmlicher Sicherheitskältemittel vergleichbar sind, ermöglichen sie auch die einfache und kosteneffiziente Umrüstung einer vorhandenen Kälteanlage auf ein Low-GWP-Kältemittel. Ebenfalls sind, abhängig von der jeweiligen Anwendung, Hybridsysteme mit CO2 oder anderen Kältemitteln denkbar.

Die Resonanz der unterschiedlichen Anwendergruppen, wie z.B. von großen Lebensmitteldiscountern, ist bisher überwiegend positiv, da durch diese Entwicklungen Wege aufgezeigt werden, die deutlich über die bisherigen Perspektiven hinausgehen. So erscheint es möglich, den Klimaeinfluss durch Kältemittel weiter zu reduzieren und die dabei notwendigen Investitionen durch den Handel mit CO2-Zertifikaten gegenzufinanzieren. Da funktionierende Marktmechanismen in der Regel schneller zu messbaren Erfolgen führen als regulative Einschränkungen und Verbote, kann die Umsetzung sogar relativ schnell erfolgen.

Untersuchungen im Hinblick auf die Entwicklung speziell angepasster Komponenten, wie z.B. Kompressoren, werden zurzeit schon durchgeführt. Es erscheint nicht unrealistisch, dass auch die umweltpolitischen Voraussetzungen für Cap & Trade Allocation-Modelle innerhalb der nächs­ten zwei bis drei Jahre geschaffen werden. Falls diese sich in der Realität als praktikabel erweisen, ist anzunehmen, dass gleiche oder ähnliche Prinzipien auch über den EU-Bereich hinaus Anwendung finden und die Kältemittel der nächsten Generation global zum Einsatz kommen werden.

Ausgelöst durch die Regulierung im Automobilbereich und zusätzliche regionale oder nationale Bestimmungen werden diese Entwicklungen die Kältemittel-Branche zukünftig stark beeinflussen.

Vieles deutet darauf hin, dass sich Kältemittel infolge der zu erwartenden Regelungen in den nächsten fünf bis acht Jahren von Volumenprodukten je nach Einsatz hin zu Spezialitäten entwickeln könnten, die für bestimmte Anwendungen maßgeschneidert sind. Dies wird die Anforderungen an alle an der Kühlkette Beteiligten wesentlich komplexer werden lassen. -

Literatur

Entwicklungsperspektiven im Kältemittelbereich; Vortrag

Dr. Walter Sorg DuPont de Nemours (Deutschland)GmbH zur Deutschen Kälte-Klima-Tagung Berlin 2009 vom 20. November 2009

Dr. Walter Sorg

DuPont Fluorochemicals, Neu-Isenburg

Walter Sorg, Neu-Isenburg

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