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Die Handwerksorganisationen im Wandel der Zeit

Von Zunft zu Innung

Viele dieser Handwerker, wie z.B. Bäcker und Fleischer oder Zimmerleute, hatten es mit der Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln oder der Erstellung von Wohnraum und Kleidung zu tun. Dabei herrschten strenge Regeln. Mit diesen versuchten die Zünfte, sich und ihre Arbeit vor fremden Einflüssen und minderwertiger Arbeit durch ungelernte Kräfte zu schützen.

Auch war es schon immer ein Selbstzweck, den Berufsnachwuchs auszubilden und die Kenntnisse und Erfahrungen an die junge Generation weiterzugeben. Dafür mussten die Lehrlinge, anders als heute, ein Lehrgeld an den Meister bezahlen. So versteht man das gängige Sprichwort: „Lass Dir dein Lehrgeld zurückgeben“, wenn mal eine Arbeit nicht zur Zufriedenheit des Kunden ausgeführt wurde.

Viele Rituale sind überliefert und zum Teil heute noch in verschiedenen Handwerksberufen üblich. Etwa, wenn ein Lehrling nach Abschluss der Ausbildung freigesprochen wird und seinen Gesellenbrief überreicht bekommt, damit er zukünftig als Geselle seinen Lebensunterhalt verdienen kann.

Ab dem Spätmittelalter war es üblich, dass junge Handwerksgesellen nach ihrer Gesellenprüfung für einige Jahre auf Wanderschaft gingen. So konnten sie in weiter entfernten, auch außer Landes liegenden, Handwerksbetrieben Erfahrungen sammeln, bei anderen Meistern der Zunft ihr handwerkliches und betriebliches Wissen vertiefen und neue Absatzmärkte erschließen.

Dabei durften sie sich über einen festgelegten Zeitraum von mehreren Jahren ihrem Heimatort nicht nähern und waren auf sich gestellt. Die Wanderjahre, auch „auf der Walz sein“ genannt, waren vom Spätmittelalter bis ins 19. Jahrhundert in den meisten Handwerken eine Voraussetzung, um Meister werden zu können. Heutzutage gibt es diese Pflichtwanderjahre nicht mehr. Manche jungen Gesellen pflegen dieses Brauchtum dennoch und kehren danach mit vielfachen Erfahrungen zurück.

So blicken viele Handwerksberufe auf eine sehr lange Tradition zurück und haben sich immer wieder mit der Weiterentwicklung und Erneuerung ihres Gewerkes an die Gegenwart anpassen müssen.

Das Kälteanlagenbauerhandwerk kann nicht auf eine solche Tradition zurückblicken. Es entstand erst zum Ende des 19. Jahrhunderts, als die Versorgung der wachsenden Bevölkerung die Haltbarmachung von Lebensmitteln durch Kühlung notwendig machte. Der zuvor angewendete Einsatz von Natureis in Eiskellern reichte nicht mehr aus, um den wachsenden Bedarf zu decken. Es wurden die ersten mechanischen Kälteanlagen entwickelt und zunächst in Brauereien und Schlachthöfen eingesetzt.

Da jemand mit diesen Maschinen umgehen, sie warten und reparieren musste, waren es die Mechaniker-Handwerke, die sich dieser Anlagen annahmen.

Das neue Fachgebiet Kältetechnik

Mitte des 20. Jahrhunderts bildete sich zunächst innerhalb der Mechaniker-Handwerke eine Fachgruppe Kältemechanik. 1961 wurde auf Erlass des Bundeswirtschaftsministeriums ein Berufsbild Kältemechanik anerkannt.

Nun konnten Gesellen- und Meisterprüfungen im Mechaniker-Handwerk, Fachgebiet Kältemechanik, zunächst in Bayern, später auch in den anderen Bundesländern durchgeführt werden.

Es gab bereits damals das Bestreben nach mehr Eigenständigkeit. So gründete der Kältemechanikermeister Josef Biber 1962, gemeinsam mit etwa 80 Kältefachleuten, die Interessengemeinschaft Kältefachleute im Handwerk. Dies war dann auch die Geburtsstunde des VDKF - Verband deutscher Kältefachleute, später Verband Deutscher Kälte-Klima-Fachbetriebe e.V. In der Novellierung der Handwerksordnung (HWO) wird im Juli 1965 in die Anlage A, Nr. 24, der „Mechaniker Nähmaschinen-, Zweirad- und Kältemechaniker“ aufgenommAnlage A der HWO bedeutet, dass es sich um ein gefahrengeneigtes Handwerk handelt und daher die Meisterpflicht für die Eintragung in die Handwerksrolle und für die Selbstständigkeit notwendig ist.

Von Innungen zum Verband

Nun gründeten sich erste Innungen und Ausbildungsstätten. So z.B. die Bundesfachschule, die ihren Anfang in der Frankfurter Schönstraße nahm. 1965 erfolgte die Gründung der Landesinnung Hessen und 1972 die der Kältemechaniker-Innung Schleswig-Holstein.

1978 war es dann nach langen Verhandlungen endlich so weit. Das Bundeswirtschaftsministerium erkannte das Kälteanlagenbauerhandwerk als Vollberuf mit einer dreieinhalbjährigen Ausbildung zum Kälteanlagenbauer an. Der Weg zum eigenständigen Handwerk war frei. Nach der bundesweiten Gründung weiterer Innungen war es nur noch ein kleiner Schritt zur Etablierung des Bundesinnungsverbands des Deutschen Kälteanlagenbauerhandwerks. Der BIV erlangte 1982 in Ratingen seine Rechtsfähigkeit durch Erlass des Bundeswirtschaftsministeriums zur Anerkennung der Satzung. Verbunden war diese Gründung mit Namen wie Horst Schneider, dem Vorkämpfer und ersten Bundesinnungsmeister. Erich Handrick, der später den Berufsbildungsausschuss leitete. Außerdem Erwin Mackscheidt, Theo Mack und viele andere.

In der ehemaligen DDR verlief die Ausbildung verständlicherweise völlig anders, da dort die handwerklichen Strukturen nicht vorhanden waren. Die bis 1989 von Kombinaten und Großbetrieben geprägte Ausbildung brach in kurzer Zeit ebenso zusammen wie ein Großteil der Betriebe selbst. Kurz nach dem Fall der Mauer und dem Anschluss der neuen Bundesländer an die Bundesrepublik waren es Erich Handrick, Peter Weissenborn, Norbert Günter, Reiner Bertuleit und andere, die die neuen Kollegen im Osten beim Aufbau und der Organisation von Fachbetrieben, Innungen und handwerklichen Strukturen unterstützten. Im Juli 1990 übernahm die DDR zuerst die westdeutsche Handwerksordnung und schließlich das Berufsbildungsgesetz - neue Prüfungshoheiten, neue Kompetenzen, neue Einrichtungen in den neuen Bundesländern.

Der Mechatroniker für Kältetechnik

Selbst für dieses junge Handwerk war es nach einigen Jahren notwendig, auf Grund des technischen Fortschritts und besonders der verschärften Umweltgesetzgebung, eine Anpassung des Berufsbildes und der Ausbildungsverordnung zu erreichen. Unter Konsultation der IG Metall (IGM), des Bundesinstituts für berufliche Bildung (BIBB) oder des Heinz-Piest-Instituts (HPI) wurde 2008 nach mehrjährigem Ringen das neue Berufsbild fertiggestellt. Aus dem Kälteanlagenbauer wurde der/die Mechatroniker/in für Kältetechnik. Eine Neuerung war u.a., dass die Gesellen durch die vermittelten Lehrinhalte nun anerkannte Fachkräfte für Elektrotechnik sind.

Das Berufsbild war angepasst und um zahlreiche Inhalte erneuert bzw. ergänzt worden. Die dreieinhalbjährige Ausbildungszeit hatte Bestand und die sogenannte industrielle Öffnung bot auch großen Industriebetrieben die Möglichkeit, den/die Mechatroniker/in für Kältetechnik auszubilden. Auch wenn sich inzwischen alle regionalen Innungen mit dem Zusatz „Klima“ im Titel darstellen, ist es nicht gelungen, den Begriff „Klima“ auch im Ausbildungs-Berufsbild oder im Titel des Bundesinnungsverbands mit aufzunehmen. Hier gibt es massiven Widerspruch anderer Zentralverbände.

Parallel dazu hat sich auch der VDKF e.V. weiterentwickelt. Allerdings war und ist er auf Grund seiner Organisationsform (e.V.) nicht berechtigt, die vom Wirtschaftsministerium übertragenen Aufgaben im berufsständischen Bereich auszuführen. So konzentriert sich der VDKF seither auf die wirtschaftlichen Themenbereiche.

Vieles spricht für eine Mitgliedschaft der Fachbetriebe in den regionalen Innungen des Handwerks. Neben notwendigen Mitgliederversammlungen, Unterstützung bei der Ausbildung durch die überbetrieblichen Ausbildungslehrgänge sowie Prüfungsvorbereitungen finden auch Informationsveranstaltungen und Seminare zu aktuellen Themen, Beratung im Bereich Arbeitsrecht und mehr statt.

Dabei sollen ausdrücklich die Geselligkeit und der kollegiale Austausch untereinander gepflegt werden. Außerdem beschließen die Innungen über die Besetzung des Gesellenprüfungsausschusses sowohl von Arbeitgeber- als auch von Arbeitnehmer- und Beisitzerseite aus.

Wichtig neben dieser Arbeit für die Fachbetriebe und die Aus- und Weiterbildung ist die Interessenvertretung durch die Innungen und den Bundesinnungsverband nach außen - gegenüber Politik und Verwaltung. Dabei sollten alle Verbände des Handwerks noch viel mehr gemeinsam und mit einer Stimme auftreten, zum Wohle der Mitglieder.

Was ist eine Zunft?

Als.Zünfte – von althochdeutsch zumft‚ zu ziemen – bezeichnet man ständische Körperschaften von Handwerkern, wie sie seit dem Mittel­alter zur Wahrung gemeinsamer Interessen entstanden.

Was ist eine Innung?

Eine Innung ist in Deutschland und Österreich die fachliche Interessenvertretung von Personen, die in einer Berufsgruppe des Handwerks tätig sind. Sie ist auf lokaler bzw. regionaler Ebene organisiert

Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder,

Pflege des Gemeingeistes und der Berufsehre sowie Förderung eines guten Verhältnisses zwischen Meistern, Gesellen und Lehrlingen,

Bildung von Prüfungsausschüssen und Abnahme von Gesellenprüfungen nach§ 33 Handwerksordnung im Auftrag der Handwerkskammer,

Förderung des handwerklichen Könnens der Meister und Gesellen (z.B. durch Fachschulen oder Lehrgänge), Erstellung von Gutachten und Auskünfte über Angelegenheiten der in der Innung organisierten Handwerke, Vermittlung bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern und ihren Auftraggebern,

Die Rechtsform der Innungen ist die einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie stehen unter der Rechtsaufsicht der jeweiligen Handwerkskammern.

Neben der verpflichtenden Zugehörigkeit zu einer Kammer ist die Mitgliedschaft in einer Innung immer freiwillig.

Heribert Baumeister
Bundesinnungsmeister Bundesinnungsverband (BIV)

BIV/Baumeister

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