Tomaten mögen es während der Wachstumsphase warm und lieben Licht. Deshalb bietet Deutschland nicht gerade die idealen klimatischen Bedingungen, um ganzjährig Tomaten anzubauen. Jahrzehntelang war es dem Verbraucher und damit auch dem Lebensmittelhandel egal, woher Obst und Gemuse kamen. Das hat sich geändert. Regionale Nähe ist längst zum Qualitätsfaktor erwachsen, weil man den Obst- und Gemüsebauer „kennt“.
Ein zweiter Trend, der sich verselbstständigt hat und in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, ist die stetig wachsende Nachfrage nach Produkten aus biologischem Anbau. Bio – räumliche Nähe – Tomaten aus Deutschland auch im Winter: Bisher passte das nicht zusammen. Doch seit Januar dieses Jahres ist das anders: Auf einer Fläche so groß wie funf Fußballfelder wachsen in Wöhrden, Kreis Dithmarschen, 70000 Tomatenpflanzen in Deutschlands größtem Bio-Gewächshaus. Zwölf Millionen Euro hat die Westhof Bio-Gewächshaus GmbH & Co. KG in das zukunftsweisende Projekt investiert. Innerhalb von 30 Wochen sollen rund 1,6 Mio. kg geerntet werden. Sobald die roten Rispen gepfluckt sind, ist verlässliche Kuhle statt mediterranem Klima gefragt.Hohe Anforderungen an die Kältetechnik
Schon aus energetischen Grunden und dem Wunsch nach einer positiven Klimabilanz hatten die beiden Geschäftsfuhrer und Biobauern Rainer Carstens und Paul-Heinrich Dörscher hohe Anforderungen an die installierte Kälteanlage fur das Kuhlhaus gestellt. Carstens und Dörscher beauftragten die Fieles Dithmarscher Kältetechnik GmbH mit Sitz in Marne mit der Planung und Installation der Kältetechnik. Klaus Oelrichs, Kälteanlagenbauermeister und Geschäftsführer des europaweit gefragten Spezialisten fur Obst- und Gemüsekühlung, verbaute deshalb fur die Raumkuhlung drei GEA Kuba market SPA der neuesten Generation. Neue Motoren reduzieren den Energiebedarf um 50 Prozent und steigern gleichzeitig den Wirkungsgrad auf uber 90 Prozent. Das Kuhlhaus ist gut 220 m2 groß und hat ein Pultdach mit einer Deckenhöhe von funf bis sieben Metern. Als Isolationsmaterial verbaute Oelrichs 100-mm-Isolierpaneele. Das reicht, um die Temperatur auch im Sommer bei den geforderten 15 °C zu halten. Die Tomaten werden auf Paletten gestapelt zwischengelagert. Jede Palette ist mit ca. 350 kg Tomaten beladen. Pro Tag werden maximal 80 Paletten abgekuhlt und bleiben teilweise nur fur wenige Stunden und nicht länger als ein paar Tage in dem Kühlhaus. Die Kälteleistung der Gesamtanlage liegt bei rund 79 kW. Die Verdampfungstemperatur beträgt + 5 °C. Um trotz der hohen Umschlaggeschwindigkeit die Tomaten möglichst schnell und schonend abzukuhlen, die gleichmäßige Kuhlluft-Durchspulung der Kisten und ein ideales Raumklima zu gewährleisten, hat Klaus Oelrichs die neuen SP-Verdampfer mit jeweils vier Motoren ausgelegt. Der Luftvolumenstrom liegt pro Verdampfer bei 10520 m3/h. Die Wurfweite beträgt 28 m. Der energetische Aspekt war ein Entscheidungskriterium, die neueste Generation der etablierten Luftkuhler-Serie zu verbauen. Daneben spielten die Betriebssicherheit und geringe Betriebskosten eine entscheidende Rolle. Daher wurde auf Kuba-Verdampfer gesetzt. „Ich verbaue seit vielen Jahren Luftkuhler von GEA Küba und bin von der Qualität und Langlebigkeit uberzeugt“, sagt Oelrichs. Die neue „S-Klasse“ uberzeuge daruber hinaus durch die einfache Wartung. „Schwenkbare Ventilatoren und klappbare Tropfwannen, fruher Ausstattungsoptionen, die als Extra geordert werden mussten, sind bei den neuen Modellen gesetzter Standard. Das vereinfacht die Reinigung der Luftkuhler deutlich“, betont Oelrichs. Die Idee, Tomaten unter Glas wachsen zu lassen, hegten Carstens und Dörscher schon seit Jahren. Als Vermarktungspartner konnte schließlich die Edeka Gruppe gewonnen und damit die Idee in die Tat umgesetzt werden. Bereits seit 24 Jahren schwört Carstens auf Bio und hatte bis dahin grundsätzlich nur im Freiland angebaut. Das vier Hektar große Gewächshaus ist 250 m lang. Die Stehhöhe beträgt sieben Meter. Bei dem Glas handelt es sich um ein extrem lichtdurchlässiges und gleichsam diffuses Sicherheitsglas. Die Inneneinbauten sind weiß lackiert und garantieren dadurch die bestmögliche Lichtreflexion.Biologisches Gesamtkonzept
Paradiesische Zustände für Tomaten – sie danken mit einem kräftigen Wachstum. Die Tomatensetzlinge wachsen auf fruchtbarstem Marschboden jede Woche um 10 bis 15 cm. Die Erde aus der norddeutschen Tiefebene bringt den Geschmack. Nach rund 30 Wochen kann geerntet werden. Bis dahin haben die Pflanzen eine Länge von bis zu 14 m erreicht. Die Setzlinge sind an je einem Band angebunden und ranken daran 3,5 m in die Höhe. Das Band endet an einer Spindel, die von der Decke hängt. Das Gewächshaus, in dem konsequent nach Bioland-Richtlinien gewirtschaftet wird, ist nur ein Bestandteil eines symbiotischen Energie- und Nährstoffkreislaufes.Eine Biogasanlage, in der die anfallenden Erntereste vergärt werden, und ein Blockheizkraftwerk, in dem das Gas verstromt wird, komplettieren das Gesamtkonzept. Die thermische Energie wird bei der Bio- Frosterei Biofrost fur das Blanchieren vor dem Frostvorgang des angebauten Bio-Gemuses (u. a. Kartoffeln, Möhren, Erbsen, Fenchel …) benötigt. Außerdem stellt die Biogasanlage ein weiteres hochwertiges Produkt her: Bio-Dunger. Dieser kann gezielt im Bioanbau und Bio-Gewächshaus eingesetzt werden und somit die Produktqualität sowie den Ertrag erheblich steigern. Ein schlüssiges, in sich stimmiges Konzept, dessen Faktoren einen symbiotischen Energie- und Nährstoffkreislauf entstehen lassen. Dies ist nicht zuletzt der Grund, warum die Westhof Bio-Gewächshaus GmbH & Co. KG vom Bundeslandwirtschaftsministerium mit dem Deutschen Innovationspreis Gartenbau 2013 ausgezeichnet wurde. -