Gebäude sind – noch vor Industrie und Verkehr – die weltweit größten Energiekonsumenten. Allein in Europa verbrauchen sie fast 40 Prozent der Primärenergie. Davon entfallen circa 85 Prozent auf Raumwärme und Warmwasser sowie 15 Prozent auf elektrischen Strom. Entsprechend hoch ist das Einsparpotenzial, wenn sich die Energie im Gebäude effizienter nutzen lässt. Bauliche Maßnahmen wie die Sanierung der Gebäudehülle oder die Erneuerung von HLK-Technik können die Energieeffizienz erhöhen.
Gebäudeautomation als Schlüssel für eine hohe Energieeffizienz
Ein entscheidender Hebel, der einen niedrigen Energieverbrauch dauerhaft sicherstellt, ist eine gewerkeübergreifende Gebäudeautomation, die mit intelligenten Funktionen die Energieeffizienz eines Gebäudes steigert und gleichzeitig den Komfort erhöht. Eine Gebäudeautomation unterstützt Gebäudebetreiber außerdem dabei, Energieverbräuche und -kosten exakt zu kontrollieren. Laut einer Studie der Hochschule Biberach sind mit einer bedarfsgeführten Gebäudeautomation, beispielsweise bei der Heizung, bis zu 20 Prozent Einsparung zu erzielen. Und durch weitere automatisierte Funktionen wie Frostschutzschaltung bei Fensterlüftung oder Thermoautomatik lassen sich weitere zehn Prozent einsparen. Bei der Raumkühlung liegen die Potenziale zwischen fünf und zehn Prozent, bei der Beleuchtung sogar bei bis zu 40 Prozent [1].
Die europäische Norm EN 15232
Die wichtigste Norm, um die Funktionen von Gebäudeautomation und technischem Gebäudemanagement zu bewerten, ist die europäische EN 15 232 Energieeffizienz von Gebäudetypen – Einfluss von Gebäudeautomation und Gebäudemanagement“. Diese Norm klassifiziert Gebäude hinsichtlich der Regelung der technischen HLK-Ausstattung, der Beleuchtung und Beschattung sowie des Zusammenspiels dieser Gewerke untereinander. Dabei de-finiert sie die vier Effizienzklassen von A = hohe Energieeffizienz“ bis D = nicht energieeffizient“. Die Standardisierung macht deutlich, welches Einsparpotenzial beim Betrieb von gebäudetechnischen Anlagen möglich ist, aber auch, was dafür technisch vorausgesetzt werden muss.
Soll die Effizienzklasse A erreicht werden, muss ein umfangreiches Anforderungsspektrum erfüllt sein, wie eine vernetzte Raumautomation oder eine automatische Bedarfserfassung. Ein zentrales Element für die Anforderungen der Klasse A ist dabei eine gewerkeübergreifende Kommunikation und Regelung. Ein Beispiel, das dies illustriert: Bei einer konventionellen manuellen Jalousiesteuerung ist der Einsparerfolg allein vom Nutzerverhalten abhängig. Die Steuerung ist nicht mit anderen Funktionen vernetzt, was der niedrigsten Effizienzklasse D entspricht.
Ganz anders bei einer Lösung, die alle Anforderungen der Klasse A erfüllt: Hier ist die Jalousiesteuerung eingebunden in eine kombinierte, vernetzte Regelung von Beleuchtung, Sonnenschutzeinrichtungen und HLK-Anlagen. Das Gebäudeautomationssystem bewertet dabei auch den jeweils aktuellen Bedarf. Die Daten liefern Sensoren im Innenbereich oder auch in einer Wetterstation. Bei hohen Außentemperaturen kann dann zum Beispiel der Lichteinfall automatisch durch die Jalousien reduziert werden, um Energie für die Klimatisierung zu sparen. Sind Personen im Raum, die gedimmtes Licht für eine Präsentation benötigen, reagiert das System anders als bei einer Nichtbelegung. Das Ergebnis ist ein ebenso nutzungsgerechter wie energieoptimaler Betrieb.
Für dieses Zusammenspiel müssen Produkte aus dem Bereich Heizung, Lüftung und Klima mit Produkten aus dem Bereich Beleuchtung und Beschattung miteinander kommunizieren können, um die benötigten Informationen direkt unterein-ander auszutauschen. Diese Kommunikation kann ohne Schnittstellen über Bus-systeme erfolgen.
Beispiele dafür sind das aus der Elektrotechnik stammende KNX-System, ein weltweiter Standard für die Vernetzung von Haus- und Gebäudesystemtechnik, oder die in der HLK-Technik verwendeten Systeme LON (Local Operating Network) oder BACnet (Building Automation and Control Networks). Neben einer optimalen bedarfsgerechten und energieeffizienten Regelung bietet eine gemeinsame Kommunikation auch die Möglichkeit, alle Gewerke in einer einzigen Managementstation mit einer Bedienoberfläche für alle Gewerke zusammen zu führen. Das erleichtert die Bedienung und unterstützt dabei, Einsparpotenziale zu visualisieren.
Integrierte Planung von Elektro- und HLK-Technik
Eine solche vernetzte Lösung setzt allerdings eine integrierte Planung von Elektro- und HLK-Technik schon ab der Ausschreibung voraus. Gerade in Deutschland besteht in der tatsächlichen Umsetzung allerdings noch Nachholbedarf. Hier werden die Raumautomationssysteme meist in der Sparte Elektrotechnik und Primäranlagen in der Sparte der Heizungs-, Lüftungs-und Klimatechnik ausgeschrieben. Eine Kommunikation der Gewerke untereinander, die für eine bedarfsgeführte Regelung notwendig ist, wird dabei allerdings nicht immer bedacht. Durch eine separate Ausschreibung sind auch häufig verschiedene Bussysteme im Einsatz, die nur schwer oder gar nicht miteinander kommunizieren können. Folglich wird diese wichtige Energieeffizienzfunktion in Projekten nicht wahrgenommen und ein großes Potenzial für Energieeinsparung nicht genutzt.
Das Ziel einer integrierten Planung ist es, alle Gewerke so zu planen und miteinander zu vernetzten, dass ein Gebäudeautomationssystem zu allen Elektro- und HLK-Gewerken in Verbindung steht und damit eine gewerkeübergreifende Regelung und Steuerung laut EN 15232 ermöglicht wird. Alle im Gebäude eingesetzten Produkte und Lösungen müssen mit Bauherren, Architekten, Planungsbüros, aber auch mit Produktlieferanten und Systemintegratoren gemeinschaftlich ge-plant und Schnittstellen einheitlich definiert werden.
Warum das so wichtig ist, zeigt dieses Beispiel: Präsenz- beziehungsweise Multisensoren können für die Regelung der Heizung eines Raumes, aber auch für die Regelung der Beleuchtung genutzt werden. Bei Multisensoren sind neben der Präsenzmeldung auch weitere Funktionen wie die Helligkeitsregelung implementiert, die ebenso für eine hohe Energieeffizienzklasse erforderlich sind. Bei einer getrennten Ausschreibung von Elektro- und HLK-Technik müssten im Raum zwei Sensoren installiert werden, die unabhängig voneinander nur die Regelung ihres eigenen Gewerkes beeinflussen. Dadurch fallen bei der Produktbestellung und bei der Inbetriebnahme mehr Kosten an. Es wird deshalb empfohlen, den Raum als ein System auszuschreiben und nicht in einzelne Teile aufzuteilen.
Neben der Verknüpfung von Elektro- und HLK-Gewerken ist bei der integrierten Planung auch das Vernetzen der Räume mit einzelnen Primäranlagen ein wichtiger Aspekt. Wie in der Norm EN 15232 vorgegeben, wird der Bedarf an Wärme, Kühlung und Luft mit Sensoren im Raum gesammelt, dann an die jeweilige Unterverteilung und anschließend an Heizungs-, Lüftungs- oder Kühlanlage weitergegeben. Dadurch wird nur der benötigte Bedarf erzeugt und an die Räume verteilt, was zu einer hohen Einsparung an Primärenergie führt. Durch eine solche Verbindung können außerdem zentrale Zeitschaltprogramme für alle Gewerke installiert werden, die sich auf die Sollwerte in den Räumen und die Primäranlagen auswirken.
Technische Umsetzung
Um die höchstmögliche Energieeffizienzklasse für Gebäudeautomationsfunktionen zu erreichen, stehen (je nach Größe eines Projektes) verschiedene Lösungen, Systeme und Produkte zur Auswahl. Werden die Bereiche Raum und Primäranlage separat in Betrieb genommen, müssen Schnittstellen zwischen dem Wärme- und Kältebedarf für jeden Raum und dem Zeitschaltprogramm auf der Managementebene klar definiert werden, damit eine nahtlose Datenübergabe aus dem Raum an die Primäranlage erfolgen kann.
Durch das Verbinden der Elektro- und HLK-Gewerke auf Raumebene wird nur ein einziges Bussystem benötigt, womit weniger Kosten für die Verkabelung und Inbetriebnahme anfallen. Zur Übergabe der Daten an ein Primärsystem sammelt ein Controller den Bedarf aus den Räumen und gibt ihn mit einer Mittelwertbildung an das Primärsystem weiter. Siemens hat Lösungen für gleichermaßen kleine, mittlere und große gewerblich genutzte Gebäude, die alle Gewerke miteinander verbinden. Beispiele hierfür sind etwa KNX-fähige Sensoren und Aktoren aus dem Gamma“-Sortiment von Siemens. Durch verschiedene Ausführungen und Oberflächengestaltungen passen sie für viele Gestaltungsstile und Designanforderungen. Dank des weltweit genutzten KNX-Standards können außerdem auch Produkte von unterschiedlichen Herstellern integriert werden.
Kommunikations-Zentrale
Die Steuerzentrale RMB 795 B von Siemens schlägt auf der Steuerungsebene die Brücke zwischen den Gewerken, indem sie die Kommunikation zwischen Elektro- und HLK-Technik auf KNX-Basis ermöglicht. Als Schnittstelle zwischen der Temperaturregelung in den Räumen und der Primärregelung empfängt die Steuerzentrale die Wärme- und Kältebedarfe aus den Räumen – abhängig von Tageszeit, Raumbelegung, Außentemperatur oder Wärmequellen wie PCs – und leitet sie an die Regler der Primäranlage weiter. Auf der Primärseite lassen sich herstellerunabhängig KNX-Heizungs-/Kälteregler sowie nicht busfähige Regler mit einem Wärmebedarfseingang anschließen. Zeitschaltprogramme, die für gewerblich genutzte Gebäude wichtig sind, sind in der Steuerzentrale als feste Applikation integriert.
Für das Management dieses Gesamtsystems sowie zur Bedienung der Anlage bietet Siemens mit Synco IC eine Cloud-basierte Lösung, die ein einfaches und schnelles Einrichten der Internetverbindung auf die Anlage ermöglicht. Über den gesicherten Zugang können außerdem die Daten von Primäranlagen und Raumautomation synchronisiert werden; dies erlaubt einen mobilen Zugriff auf die Steuerung per PC, Smartphone oder Tablet. Eine Anlagenübersicht zeigt auf einen Blick anstehende Alarme sowie mögliche Einsparpotenziale. Fehlermeldungen lassen sich per E-Mail direkt an den jeweiligen Verantwortlichen versenden, sodass ein schneller Zugriff bei einer Störung erfolgen kann. Mit Synco IC kann dadurch eine Wartung und Kontrolle aller Gewerke von der Ferne aus erfolgen. Dies spart den Kunden Zeit und Geld.
Fazit
Die Gebäudeautomation kann wesentlich zur Energieeffizienz von Neu- und Be-standsbauten beitragen. Mit welchen Funktionen und mit welchem Effekt, beschreibt und regelt die europäische Norm EN 15232 anhand von vier Effizienzklassen. Die höchste Effizienzklasse A erfordert in diesem Zusammenhang eine gewerkeüber-greifende und bedarfsgesteuerte Regelung. Um diese zu realisieren, müssen unterschiedliche Gewerke schon ab der Ausschreibung verbunden und Schnittstellen klar definiert werden. Siemens bietet mit seinem Sensoren- und Aktoren-Sortiment, Steuerzentralen und weiteren verbindenden Applikationen auf KNX-Basis die Voraussetzung für eine integrierte Planung von Elektro- und HLK-Gewerken und damit für eine höchstmögliche Energieeffizienzklasse in der Gebäudeautomation gemäß der Norm EN 15232.
Patrick Schönmehl,
Promotor für Standard Controls bei der Siemens-Division Building Technologies in Frankfurt / Main
Fußnoten
Literatur
[1]Auszug aus dem Ergebnis der LMD Studie der Hochschule Biberach, Prof. Dr. Becker, 2007, unter Bezug auf DIN V 18599, DIN EN 15232