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Energieeinsparung in der Lüftungs- und Klimatechnik

Kleiner als ein Zuckerwürfel

Der Strömungskanal des Sensors wird direkt ins Silizium geätzt und ist damit 20-mal genauer als beim alten Modell im Kunststoffspritzguss. Die feine Ätzung sorgt nicht nur für eine höhere Empfindlichkeit des Sensors, sondern schützt diesen auch vor Schmutzpartikeln, die die Ergebnisse verfälschen würden. MEMS- und 3D-MID-Technologie erlaubten zudem eine Miniaturisierung des Sensors, der unabhängig vom Messbereich nur noch 12 x 10 mm² groß ist.

Bei der Messung von Differenzdrücken zur Volumenstromregulierung in Lüftungsanlagen setzen wir thermische Strömungssensoren ein, die auf dem Prinzip des Hitzdraht-Anemometers basieren, erklärt Dr.-Ing. Wolfgang Spreitzer, Geschäftsführer der Gruner AG. Im Vergleich zu den alternativen Drucksensoren haben sie die bessere Nullpunktstabilität und sind bei niedrigen Strömungsgeschwindigkeiten empfindlicher. Das bisherige Modell besteht aus zwei Kunststoffschalen, von denen die eine Aussparungen für Siliziumchip und Adapterleiterplatte besitzt. In der anderen befinden sich die Luftkanäle, die direkt in Spritzguss abgeformt werden. Diese Technik erlaubt allerdings nur die Messung von Maximaldrücken bis 3 mbar, so Spreitzer. Ein weiterer Nachteil bestehe darin, dass beide Schalen verklebt werden müssen. Dabei könnte Kleber in die Luftkanäle gelangen und die Kanalstruktur und somit auch den Messbereich verändern. In der Folge wäre die Steuerung der Lüftungsklappen ungenau, es wird beispielsweise mehr Frischluft eingeleitet als notwendig. Dies wirkt sich auf die Energiebilanz der gesamten Anlage negativ aus.

Besonders genaue Strömungskanäle durch neues fotolithografisches Verfahren

Der neue thermische Membransensor, den das HSG-IMIT für Gruner speziell auf den Einsatz in der Klimatisierung zugeschnitten hat, unterscheidet sich vom bisherigen Modell insbesondere in der Erstellung und Anbindung des Fluidkanals. Dabei wurde die MEMS-Technologie genutzt und der Kanal, der den Messbereich des Strömungssensors auf den Ziel-Differenzdruck skaliert, monolithisch in den Mikrochip integriert: Seine Mäanderstruktur wird auf der Wafer-Rückseite direkt ins Silizium geätzt, erläutert Dr. Sophie Billat, Projektverantwortliche beim HSG-IMIT. Dadurch ist die Wandrauigkeit sehr gering und der Kanal kann mit minimalen mikrotechnischen Toleranzen hergestellt werden, was eine hohe Reproduzierbarkeit gewährleistet. Insgesamt ist die Ätzung 20-mal genauer als die Abformung im Kunststoffspritzguss. Sie ist zudem mit 5 bis 200 µm auch feiner, so dass der Durchfluss 50-mal geringer ist als beim Vorgängermodell.

Dies schafft die Voraussetzungen dafür, dass der Sensor nicht nur einen, sondern verschiedene Druckbereiche abdecken kann: Da der für den Messbereich entscheidende fluidische Widerstand von Kanalquerschnitt und -länge abhängig ist, werden die Mäander der Kanäle in Abhängigkeit vom vorgegebenen Druckabfall in unterschiedlicher Länge und Breite eingeätzt. Bei den herkömmlichen 3 mbar, die auch von Spritzguss-Sensoren erzielt werden können, ist der fluidische Widerstand gering und die Struktur kurz und schmal. Um bei gleicher Chipgröße den von Gruner geforderten großen Druckabfall von 15 mbar und mehr erzielen zu können, erhöhten die Forscher des HSG-IMIT dagegen nicht nur wie bei niedrigeren Ziel-Drücken die Länge der Kanalstruktur, sondern verringerten auch ihren Querschnitt. Damit ist der Chip für alle Messbereiche gleich groß.

Das HSG-IMIT entwickelte zu diesem Zweck eigens ein neuartiges fotolithografisches Verfahren: Normalerweise werden Fotolithografien an der Oberfläche ausgeführt, beim Kanal im neuen Chip wird jedoch in die Tiefe gegangen, so Billat. Dabei wird der Strömungskanal, der sich auf der Rückseite des Silizium-Wafers befindet, an der der Membran gegenüberliegenden Stelle fast bis zu dieser durchgeätzt. Die Membran aus passiviertem Siliziumnitrid auf der Wafer-Vorderseite ist nur circa 2 µm dick und bildet, wie auch beim Vorgängermodell, das Herz des Sensors: Darauf befinden sich ein Heizelement sowie an dessen Seiten zwei Temperatursensoren. Diese werden über die Mem­bran thermisch entkoppelt, sodass die durchflussabhängige Verschiebung des Temperaturfeldes optimal gemessen werden kann.

Bessere Auflösung des Messsignals

Bei der Spritzgussversion des Sensors dagegen sind die Schalen bei gleichem Druckbereich durch den toleranzbehafteten, breiteren Kanalquerschnitt und den dadurch notwendigen längeren Differenzdruckkanal vergleichsweise groß. Zudem kann der Querschnitt nicht weiter verringert werden, da bei gleichen Toleranzen die Reproduzierbarkeit der Strukturen nachlässt: Andererseits führt eine weitere Vergrößerung der beiden Halbschalen zu Unebenheiten der zusammenzufügenden planaren Fläche, was auch eine Klebung nicht mehr ausgleichen kann. Der fluidische Widerstand des Kanals und damit auch der genaue Differenzdruck-Messbereich würden stark schwanken, erläutert Billat. Somit gab es beim alten Sensor kaum Möglichkeiten, den Messbereich auf größere Druckdifferenzen zu erweitern. Im Unterschied dazu erlaubt die Weiterentwicklung eine bessere Auflösung des Messsignals und eine höhere Serien-Genauigkeit, wodurch auch sehr kleine Differenzdrücke bestimmt werden können. Bei Klimaanlagen ermöglicht der Sensor eine genauere und effizientere Ansteuerung der Lüftungsklappen, so Spreitzer. In der Folge wird meist weniger Luft durch die Rohre der Anlage geleitet, Geräuschentwicklung und Energieverlust reduzieren sich und der Betrieb wird insgesamt wirtschaftlicher.

Die feine Ätzung des Fluidkanals wirkt sich in einer weiteren Hinsicht positiv auf die Steuerung der Klimatechnik aus. Während beim Vorgängermodell aus Spritzguss aufgrund der breiteren Kanäle Schmutzpartikel mit der Luft bis zum Sensor gelangten und die Messwerte verfälschten, sind diese Umwelteinflüsse bei der Weiterentwicklung ausgeschlossen: Über ein Staukreuz wird Luft aus dem Rohr der Lüftungsanlage abgezweigt und läuft in mit 5 mm vergleichsweise großen Schläuchen, an deren Ende sich der Sensor befindet. Dessen Kanal hat bei der Weiterentwicklung jedoch einen Querschnitt von weniger als 200 µm. Um hier die gleiche Menge Luft wie im größeren Anschluss-Schlauch durchzuleiten, erhöht sich die Strömungsgeschwindigkeit. Aufgrund dieses Unterschieds fällt der Staub bereits im Schlauch aus und erreicht den Sensor gar nicht mehr.

Modularität des Chips vereinfacht Handling

Durch die MEMS-Technologie und die Möglichkeit, den Kanalquerschnitt auf dem Chip anzupassen, muss zur Realisierung verschiedener Messbereiche zudem nicht mehr das komplette Sensor-Gehäuse verändert werden, wie das bei der Spritzgussversion bisher der Fall war, sondern nur noch der Chip. Da sich lediglich die eingeätzten Kanäle verändern, die Vorderseite des Chips mit der Membran sowie die Chipgröße insgesamt jedoch immer gleich bleiben, kann für alle Anwendungen das gleiche Gehäuse eingesetzt werden. Dadurch können die Systeme für verschiedene Differenzdrücke sehr schnell angepasst werden, erklärt der Geschäftsführer weiter. Auch die Kosten für den Sensor bleiben nun unabhängig vom Messbereich immer konstant.

Die rückseitig in den Siliziumwafer geätzten Fluidkanäle werden über anodisches Bonden mit einem Glaswafer zu winzigen Strömungsrohren verschlossen. Dieser Prozessschritt erfolgt ganzflächig auf Wafer­ebene und ist eine chemische Reaktion zwischen zwei Festkörpern, die keine Haftschicht erfordert oder gar unpräzise Kleberspalte ergibt. Es wird ein Glaswafer eingesetzt, der für jeden Kanal eine Ein- und Auslassöffnung zur Fluidführung besitzt. Da alle Kanäle auf einmal gedeckelt werden, verringert sich der Prozessaufwand und nach dem Zersägen des Wafers erhält man mechanisch stabile Sensorchips, so Billat. Die Montage des Chips vereinfacht sich so zu einem Standard-Klebeprozess, bei dem nur noch die Dichtungen am Ein- und Auslass berücksichtigt werden müssen. Da die Kanalwände vollständig aus robustem Glas und Silizium bestehen, ist der Sensor auch gegenüber aggressiven Medien wie lösungsmittelhaltiger Luft unempfindlich. Besonders im Bereich der Laborlüftung erhöht sich seine Lebensdauer so deutlich.

Sensor-Miniaturisierung durch MEMS- und 3D-MID-Technik

Das Gehäuse des Chips, das Molded Interconnect Device (MID), wird durch Spritzgießen hergestellt, danach wird eine Laserstrukturierung zur selektiven Aktivierung durchgeführt. Anschließend wird das MID metallisiert, mit dem Chip bestückt und Draht gebondet. Mit Globtop werden die Bonddrähte vor mechanischer Belastung und Feuchtigkeit und somit vor Kurzschlüssen geschützt. Zusammen mit MEMS ermöglicht die 3D-MID-Technologie die Miniaturisierung des gesamten Sensors: Dieser ist nun nur noch circa 12 x 10 mm² groß und damit sogar kleiner als ein Stück Würfelzucker. Für seine Elektronik und die Ausführung als SMD-Bauteil zeichnete Gruner selbst verantwortlich: Der Sensor kann auf herkömmlichen SMD-Bestückungsmaschinen bearbeitet werden. Er ist dadurch leichter zu verarbeiten und auch sein Handling ist deutlich einfacher als beim Vorgängermodell, so Spreitzer.

Für den miniaturisierten Strömungssensor erhielt Gruner zusammen mit seinen Partnern 2E-mechatronic, Micro-Mountains AG und HSG-IMIT den MID-Innovationspreis 2011. Seit Oktober 2012 wird der Sensor serienmäßig im Bereich Klimatisierung eingesetzt. -

http://www.hsg-imit.de

https://www.gruner.de/

Weitere Informationen

Das Institut für Mikro- und Informationstechnik der Hahn-Schickard-Gesellschaft e. V. (HSG-IMIT) mit Sitz in Villingen-Schwenningen zählt zu den führenden Forschungs- und Entwicklungsdienstleistern im Bereich von mikrotechnischen Komponenten und Systemen in Baden-Württemberg. Es bietet kundenspezifische Beratung und Fortbildung, technologische Dienstleistungen, Machbarkeitsstudien, Herstellung von Prototypen und Kleinserien sowie Serienproduktion in Kooperation mit kommerziellen Partnern. Darüber hinaus ist das 1988 gegründete HSG-IMIT mit seinen über 130 Mitarbeitern ein wichtiger Veranstalter und Gesprächspartner in Expertengremien. Das Institut arbeitet mit verschiedenen Partnern in Baden-Württemberg zusammen, darunter mit dem Institut für Zeitmesstechnik, Fein- und Mikrotechnik (IZFM) der Universität Stuttgart und dem Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) der Universität Freiburg.

Die Gruner AG mit Sitz im baden-württembergischen Wehingen wurde 1953 von Wolfgang Gruner gegründet und hat sich inzwischen zum Weltmarktführer bei gepolt bistabilen Schaltrelais von 8 bis 200 Ampere entwickelt. Das Produktprogramm des Unternehmens umfasst daneben kundenspezifische Magnete für die Sektoren Automotive, HLK, Mechatronik, IT sowie Stellantriebe für das Building Management. Die Gruner AG verfügt über ein hochspezialisiertes Know-how in diesen Bereichen sowie langjährige Erfahrungswerte im Simultaneous Engineering und ist nach ISO / TS 16949 zertifiziert. Forschung und Entwicklung, 3D-Kon­struktion, Werkzeugbau, Prüftechnologie und Fertigung liegen inhouse. Das Unternehmen operiert weltweit, der Vertrieb läuft über lokale, ­qualifizierte Vertretungen. 60 Prozent des Gasamtumsatzes werden durch Exporte generiert.

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