Was macht eigentlich einen guten Handwerker aus? Selbstverständlich sollte er sein Gewerk beherrschen. Wenn er selbstständig ist, wäre es wichtig, dass er sich mit Betriebsführung auskennt. Und um den Nachwuchs zu sichern, sollte er natürlich wissen, wie man Lehrlinge gut ausbildet. Aber würden Sie von ihm erwarten, dass er über die Deutsche Post referieren kann? Oder dass er Ihnen erklärt, wie Papiergeld gedruckt wird, wie ein Elektrizitätswerk funktioniert und was er gegen Tuberkulose zu tun gedenkt? Vor rund 100 Jahren gehörten diese Themen durchaus zur Ausbildung eines angehenden Handwerkers. Ob Gesellschaftskunde, Volkswirtschaft, Handwerksgeschichte oder Gesetzeskunde: In sogenannten gewerblichen Fortbildungsschulen wurde dieser Stoff den lernwilligen Junghandwerkern vermittelt. So ist das vorliegende Buch „Der Handwerker Lesebuch für gewerbliche Fortbildungsschulen von 1908“ eine Sammlung solcher aus heutiger Sicht amüsanter Texte. Die persönlichen Geschichten von Gesellen auf Wanderschaft, verfehlter Betriebsführung und anderen Wechselfällen des Lebens dienen jedoch nicht nur der Wissensvermittlung, sondern es sollen auch moralische Lehren gezogen werden. Einige der Anekdoten sind sehr aktuell. So lässt das Kapitel „Wie kommt der Handwerker zu seinem Gelde?“ darauf schließen, dass die Zahlungsmoral vor 100 Jahren auch nicht wesentlich besser war als heute. Das Buch mit 85 kurzen Kapiteln entführt in vergangene Zeiten und ist nicht nur für historisch Interessierte ein nostalgisches Lesevergnügen! Erschienen bei der Verlagsanstalt Handwerk GmbH, Düsseldorf, 2011, 192 Seiten, ISBN 978-3-86950-160-4, 19,80 Euro. https://vh-buchshop.de/ -