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Praxiswissen rund um den Verdichter Teil 4:

Verdichter für explosions­gefährdete Umgebungen

Unerwünschte Explosionen sind glücklicherweise selten, haben aber meist verheerende Auswirkungen. Explosionsgefahren bestehen typischerweise z.B. in der chemischen und pharmazeutischen Industrie, in Entsorgungs- und Gasversorgungsunternehmen, Raffinerien, Lackier- und Recyclingbetrieben schlichtweg überall dort, wo brennbare Stoffe, Luft/Sauerstoff und Zündquelle zur gleichen Zeit, am gleichen Ort und im richtigen Verhältnis auftreten können.

Beim Explosionsschutz werden grundsätzlich drei Maßnahmen unterschieden:

1. Primärer Explosionsschutz: Maßnahmen, welche die Bildung einer explosionsfähigen Atmosphäre verhindern.

2. Sekundärer Explosionsschutz: Maßnahmen, welche die Zündung gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre verhindern. Dazu werden explosionsgefährdete Bereiche seitens des Anlagenbetreibers von Experten genau unter die Lupe genommen und je nach Häufigkeit und Dauer des Auftretens von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre in Zonen unterteilt. Kommen in solchen Zonen z. B. kältetechnische Geräte zum Einsatz, müssen diese so beschaffen sein, dass keine wirksamen Zündquellen vorhanden sind, damit von ihnen keine Explosionsgefahr ausgehen kann (siehe Bild 2 und 3).

3. Tertiärer Explosionsschutz: Maßnahmen, welche die Auswirkungen einer Explosion auf ein unbedenkliches Maß beschrän-ken (konstruktiver Explosionsschutz, z.B. durch Explosionsdruckentlastung etc.).

Maßnahmen zum Explosionsschutz sind in dieser Reihenfolge zu treffen getreu dem Grundsatz Vorsorge ist besser als Nachsorge.

Geräte zur Verwendung in explosionsgefährdeten Zonen

Am Beispiel eines Kältemittelverdichters, der speziell für die Verwendung in explosionsgefährdeten Zonen geeignet ist, wird nachfolgend anhand der wichtigsten Klassifikationsangaben sichtbar auf dem Typschild dessen Einsatzfähigkeit genauer erläutert (siehe Bild 1).

1. Gerätegruppe: Es werden zwei Gruppen von Geräten unterschieden: Gerätegruppe I beinhaltet Geräte für Untertage und Gerätegruppe II Geräte für alle übrigen explosionsgefährdeten Bereiche. ATEX-Verdichter von Bock sind beispielsweise für Gerätegruppe II zertifiziert (siehe Bild 3).

2. Gerätekategorie: Es werden drei Gerätekategorien unterschieden. Sie sagen aus, in welchen Zonen die entsprechenden Geräte verwendet werden dürfen bzw. welches Maß an Sicherheit die Geräte bieten. ATEX-Verdichter von Bock bieten beispielsweise ein hohes Maß an Sicherheit und erfüllen daher die Anforderungen der Gerätekategorie 2, d. h. sie dürfen somit in Zone 1 und 2 eingesetzt werden (siehe Bild 3).

3. Atmosphäre: Es werden zwei explo­sionsfähige Atmosphären unterschieden: G für Gas und D für Dust (Staub).

4. Zündschutzart: Hinweis auf die vom Hersteller getroffenen Maßnahmen, um mögliche Zündquellen sicher zu verhindern. c steht für konstruktive Sicherheit. Das Prinzip dieser Zündschutzart besteht darin, Zündquellen durch Anwendung an­erkannter ingenieurtechnischer Prinzipien und Auswahl geeigneter Materialien bei Entwurf, Konstruktion und Bau von Geräten zu vermeiden. b steht für Zündquellenüberwachung.

Durch Überwachung im Normalbetrieb nicht vorhandener, sich aber möglicherweise entwickelnder Zündquellen, wie erwärmte Teile oder mechanische Funken, kann in kritischen Situationen reagiert werden. Der Grundgedanke der Zündschutzart Überwachung von Zündquellen besteht darin, potenzielle Zündquellen mithilfe von Mess- und Regeleinrichtungen so zu überwachen, dass sie abgeschaltet werden, bevor sie wirksam werden können (z.B. durch Temperatursensoren). Am Beispiel des o. g. Kältemittelverdichters wird die Verdichtungsendtemperatur mittels PTC-Sensoren durch ein Auslösegerät überwacht.

5. Explosionsuntergruppe: In der Gerätegruppe II werden drei Explosionsgruppen unterschieden. Die Unterteilung in die unterschiedlichen Explosionsgruppen IIA, IIB und IIC hängt u.a. mit der unterschiedlichen Zündfähigkeit der explosionsfähigen Atmosphäre zusammen. So wird beispielsweise eine Wasserstoffatmosphäre wesentlich leichter durch elektrostatische Ent­ladungen gezündet als eine Propan- oder Benzinatmosphäre.

Da Geräte mit der Explosionsuntergruppe IIC die höchsten Anforderungen in dieser Hinsicht erfüllen, können diese Geräte ohne Weiteres auch in den explosionsgefährdeten Bereichen eingesetzt werden, die den Explosionsuntergruppen IIA oder IIB zugeordnet sind. Bock ATEX-Verdichter erfüllen die höchsten Anforderungen der Explosionsuntergruppe IIC (siehe Bild 4).

6. Temperaturklasse: Zum Betrieb eines Gerätes bzw. Betriebsmittels in einer explosionsfähigen Atmosphäre muss seine maximal auftretende Oberflächentemperatur unterhalb der Zündtemperatur der explosionsfähigen Atmosphäre bleiben. Zur einfachen Beurteilung wurden Temperaturklassen definiert, in welche die Geräte entsprechend der maximal erreichbaren Temperatur einzuteilen sind. Die einzelnen Stoffgemische werden entsprechenden Temperaturklassen zugeordnet (T1 bis T6).

Bei der Festlegung der Temperaturklasse von Betriebsmitteln ist auch die maximal zulässige Umgebungstemperatur zu beachten, da diese einen Einfluss auf die erreichbare Gerätetemperatur hat. Durch aufwendige Versuche wurde z.B. bei den bereits erwähnten Kältemittelverdichtern ermittelt, dass eine Oberflächentemperatur von 200 °C, auch im Fehlerfall und auch bei Umgebungstemperaturen bis +50 °C, an keiner Stelle überschritten wird. Daher eignet sich dieser Kältemittelverdichter hinsichtlich der Temperaturklasse für die Verwendung in explosionsfähiger Atmosphäre mit z.B. NH, Propan, Benzin, Wasserstoff etc., da die Zündtemperatur dieser Stoffe über 200 °C liegt. Nicht geeignet ist dieser Verdichter für die Verwendung in explosionsfähiger Atmosphäre mit z.B. Ethylether, Schwefelkohlenstoff etc., da die Zündtem­peratur dieser Stoffe unter 200 °C liegt (siehe Bild 4).

Fazit

Sobald eine explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann, müssen Explosionsschutzmaßnahmen getroffen werden. Kann eine explosionsfähige Atmosphäre nicht verhindert werden, sind seitens der entsprechenden Betreiber nach der EG-Richtlinie 99/92/EG (ATEX 137), auch Betreiber- oder Arbeitsschutz-Richtlinie genannt, die Mindestvorschriften zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit der Arbeitnehmer zu erfüllen. In dieser Richtlinie werden v. a. die Anforderungen an die Arbeitsstätten, die sich innerhalb der EU befinden, festgelegt.

Seitens der Gerätehersteller muss die EG-Richtlinie 94/9/EG (ATEX 95), auch Hersteller- oder Geräte-Richtlinie genannt, befolgt werden. Diese Richtlinie legt die Anforderungen an die innerhalb der EU verwendeten und in explosionsgefährdeter Atmosphäre eingesetzten Produkte fest, wobei elektrische und auch nichtelektrische Betriebsmittel berücksichtigt werden müssen.

Je nach Gerätekategorie müssen, wie im Beispiel der Bock ATEX-Verdichter, in Zusammenarbeit mit einer benannten Stelle (z.B. TÜV) aufwendige und kostenintensive Tests und Prüfungen durchgeführt werden, damit für das entsprechende Gerät ein Baumusterprüfzertifikat ausgestellt werden kann. In diesem Zusammenhang stellt das Qualitätssicherungswesen eine weitere Sicherheitssäule dar, indem durch die benannte Stelle ein regelmäßiges Audit durchgeführt werden muss.

Das Zusammenspiel dieser Richtlinien gewährleistet somit ein System, mit dem Explosionen wirksam vorgebeugt werden, um Menschen, Umwelt und Sachwerte wirkungsvoll zu schützen. -

Andreas Weißer

Anwendungstechnik, Bock Kältemaschinen GmbH, Frickenhausen

Andreas Weißer, Frickenhausen

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