Der deutsche Lebensmittelhandel wird dominiert von großen Handelsketten und Discountern wie Edeka, Rewe, Metro, Aldi oder Lidl. Trotzdem gibt es viele kleinere LEH-Geschäfte oder Supermärkte, wenngleich der Tante-Emma-Laden um die Ecke vor allem in ländlichen Regionen mehr und mehr zu verschwinden droht. Die Rede ist von unabhängigen Lebensmitteleinzelhändlern, Drogerien, Biomärkten oder Obst- und Gemüsehändlern. Das ehi Retail Institut, Köln, hat für den gesamten Lebensmittelhandel im vergangenen Jahr knapp 38 000 Geschäfte gezählt, von denen rund die Hälfte Supermärkte und kleine LEH-Geschäfte sind. Nicht in dieser Statistik erhoben sind Bäckereien, Metzgereien, die Gastronomie und Hotellerie oder auch die Milch erzeugende Landwirtschaft.
Chancen für den Kälteanlagenbau
All diese Betreiberzielgruppen stehen beispielhaft für eine interessante Lösung zur Energie-, Emissions- und Kosteneinsparung in der gewerblichen Kühlung, die Chancen für den Kälteanlagenbau bietet. Dass es dabei grundsätzlich keine Einschränkungen auch für andere Kälte- und Klimatechnikanwendungen gibt, sei an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt.
Die Idee dazu kam Burkhard Dunst, Geschäftsführer der Frigoteam Handels-GmbH, München. Unser Unternehmen analysiert gemeinsam mit dem Kunden jedes Projekt. Im Anschluss daran folgen Beratung, Konzepterstellung, Planung und Projektierung. Die Umsetzung sowie Wartung und Service geschehen anschließend in enger Zusammenarbeit mit dem Kälteanlagenbauer. Worauf wir uns spezialisiert haben, sind Anlagen mit natürlichen Kältemitteln. Dabei kommen hauptsächlich R744 (CO2), R1270 (Propen) und R290 (Propan) zum Einsatz. Bei den Hochtemperaturwärmepumpen ist es R600a (Isobutan). Beim Einsatz brennbarer Kältemittel arbeiten wir aus Sicherheitsgründen (fast) ausschließlich mit Kaltwasser- oder Kaltsolesystemen. Zwingend notwendig ist bei diesen Anlagen der Einbau einer hydraulischen Weiche zwischen Kälteerzeuger bzw. Flüssigkeitskühler und den einzelnen Kühlmöbeln sowie Kühlräumen“.
Weiche wird zum Latentspeicher
An diesem Punkt setzt das neue und prämierte System CoolSafe an. Der Hintergrund: Thermische Speicher werden in der Energiewirtschaft in den kommenden Jahren eine immer größere Bedeutung erlangen, wenn es darum geht, den zunehmenden Ökostromanteil aus Sonne, Wind oder anderen fluktuierenden Quellen unabhängig von den Erzeugungsmöglichkeiten nutzbar zu machen. Ein eingeführter Begriff ist in diesem Zusammenhang Power to Heat“, wenn es also darum geht, elektrische Energie durch direkte Nutzung oder über Umwandlungsprozesse, beispielsweise mit Wärmepumpen, in Form von Wärmeenergie über einen längeren Zeitraum zu speichern. CoolSafe verfolgt die gleiche Idee, müsste aber korrekterweise mit Power to Cold“ bezeichnet werden, da Wärmeenergie bei sehr niedrigen Temperaturen zwischen 0 °C und –38 °C eingelagert wird. Dafür nutzt man die Möglichkeit der thermischen Speicherung mithilfe von Phasenwechselmaterialien (PCM). Die Wärmeenergie wird damit in einem reversiblen Phasenübergang gespeichert. Die Vorteile der PCM-Speicherung liegen zum einen in den hohen erreichbaren Speicherdichten. So ist die Schmelzwärme von PCM-Materialien 80-mal höher als die spezifische Wärme von Wasser. Zum anderen ist die temperaturstabile Speicherung im latenten Bereich. Darum spricht man auch von Latentwärme- oder Latentenergiespeichern.
Die von Frigoteam entwickelte hydraulische Weiche ist jetzt ohne großen Aufwand zu einem solchen Latentenergiespeicher erweiterbar. Dafür werden Kunststoffkugeln aus HDPE am Aufstellungsort einfach über eine Flanschöffnung in die Weiche eingebracht. In den 100 mm großen und ca. 700 g schweren Kugeln befindet sich (luftdicht verschweißt) ein auf den Anwendungsfall eingestelltes Eutektikum. Bei Bedarf wäre sogar eine Temperaturschichtung mit unterschiedlichen Kugeln möglich. Die Kugeln innerhalb des Speichers werden im Betrieb mithilfe des umlaufenden Wasser-/Frostschutzgemisches der Kälteanlage im Ladebetrieb gefroren und während der Entladung wieder geschmolzen. Beide Vorgänge geschehen bei nahezu konstanten Temperaturen.
Der Clou: Power to Cold“
Betrachtet man jetzt an dieser Stelle einmal das gesamte Kältesystem, beispielsweise für einen Supermarkt, dann stellt sich vielleicht die Frage: Wozu überhaupt ein Latentspeicher? Auch bei einem indirekten System mit Propan kann eine Kälteanlage ja jederzeit ein- und ausgeschaltet werden, wenn es erforderlich ist. Die Antwort darauf ist verbunden mit der Entscheidung einer unabhängigen Jury, den zweiten Platz bei der Vergabe des Deutschen Kältepreises 2016 in der Kategorie Installation energieeffizienter und -suffizienter Kälte- und Klimaanlagen durch kleine Unternehmen“ für das CoolSafe-System zu verleihen. Dafür wurde nämlich eine Latentenergiespeicher-Anwendung, realisiert von der Südkälte GmbH, Hugstetten, eingereicht, die Strom aus erneuerbaren Energien nutzt, wenn dieser gerade verfügbar ist. Im beschriebenen Fall ist es eine Photovoltaikanlage im Besitz des Betreibers. Damit hat dieser jetzt die Möglichkeit, den PCM-Latentenergiespeicher bei vorhandener Sonnenenergie zum Nulltarif selbst zu beladen, auch wenn gerade keine Kälteenergie angefordert, sondern zu einem späteren Zeitpunkt benötigt wird. So funktioniert Power to Cold“.
Eine weitere Möglichkeit bietet die Nutzung kostengünstiger Niedertarif-Elektroenergie über ein intelligentes Lastmanagement. Da Strom inzwischen an der Leipziger Strombörse im 15-Minuten-Takt gehandelt wird und die Strompreise stündlich um 50 Prozent und mehr variieren können, hat dies auf die Betriebskosten der Kälteanlage entscheidenden Einfluss. Im Falle der durch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks prämierten Anlage konnte der Elektroenergieverbrauch tatsächlich um 50 000 kWh/Jahr und die CO2-Emissionen um 20 Prozent gesenkt werden. Das entspricht für das gesamte System – also auch unter Berücksichtigung des natürlichen Kältemittels Propan – 100 Tonnen CO2-Äquivalent. Die weiteren Vorteile des Latentenergiespeichersystems: Es können Lastspitzen oder Phasen sehr hohen Energiebedarfs abgefangen werden. Dafür liegen die Kapazitäten dieser Back-up-Möglichkeit je nach Größe des Speichers zwischen 25 und 500 kWh Kälteenergie, in Sonderfällen auch höher. So kann der Kälteanlagenbetrieb in Zeiten geringerer Leistungsanforderungen verlagert werden. Und außer dem Kältemittel Propan ist der PCM-Speicher auch gut für CO2-Tiefkühlsysteme im unterkritischen Bereich einsetzbar und dient dort als Kältereserve bei einem eventuellen Ausfall der Propan-Kälteanlage.
Träume können wahr werden
Sind denn auch Nullemissions-Systeme tatsächlich möglich – am besten flächendeckend? Burkhard Dunst beantwortet diese Frage zunächst diplomatisch: Unser Ziel war es, ein Angebot für den Betreiber zu schaffen, möglichst viel Strom, der für die Kälteerzeugung unvermeidbar benötigt wird, aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Besteht die Möglichkeit, dies über eine Eigenerzeugung abzudecken, hat es außerdem positiven Einfluss auf die Betriebskosten. Ein alternativer Spareffekt stellt sich über ein intelligentes Lastmanagement ein. Dann arbeitet die Kälteanlage tatsächlich immer nur, wenn der gerade eingekaufte Strom preisgünstig ist und lagert die erzeugte Kälteenergie im PCM-Speicher ein. Das alles haben wir mit unserem CoolSafe-System geschafft und kann auch vom Kälteanlagenbau sofort in zahlreichen Neu- oder Bestandsanlagen realisiert werden.“
Abschließend lässt er sich dann aber über seine Vision, vielleicht sogar einen kleinen Traum entlocken: Steht bei Betreibern der Invest für eine Kälteanlage an zweiter Stelle und ist in einigen Jahren der Energiemix tatsächlich überwiegend grün, dann sind versorgungssichere Nullemissions-Systeme auf breiter Basis möglich. Denn mit Kältemitteln ohne CO2-Äquivalent in der Kälteanlage, vor allem einer bedarfsunabhängigen Kälteerzeugung/Speicherung mit Strom aus ausschließlich ökologischer Erzeugung – ob selbst gemacht oder intelligent eingekauft – fallen keine CO2-Emissionen mehr an. Das nimmt dann auch einen Kälteanlagenbetreiber, ja irgendwann sogar eine gesamte Branche, aus jeder Diskussion über den Klimawandel heraus, weil dazu einfach kein Beitrag mehr geleistet wird.“ Es wäre also den Versuch wert, gemeinsam den Traum von versorgungssicheren Nullemissionskälteanlagen anzugehen und langfristig auf eine breite Basis zu stellen.
Dipl.-Ing. Achim Frommann,
PR Werkstatt NutzWort, Sasbach