Diese Systematik kann nicht nur in der Elektrotechnik verwendet werden, sondern auch in allen anderen Fachrichtungen, z. B. für RI-Fließbilder. Dieser Artikel soll einen ersten Blick auf diese neue Systematik werfen, da die alten elektrotechnischen Normen inzwischen zurückgezogen wurden und der Zusammenhang zwischen Referenzkennzeichnung und Anlage wesentlich enger geworden ist. Zu Beginn ein Beispiel zum Unterschied der alten und neuen Normen:
Ein einfacher Kältekreislauf enthält ein Magnetventil zum Absperren der Flüssigkeitsleitung. In der alten DIN 40719-2 war das Betriebsmittelkennzeichen im Stromlaufplan eindeutig -Y gefolgt von der Zählnummer. Mit Einführung der IEC 61346 (aktuell IEC 81346) ist die Kennzeichnung allein durch den Produktaspekt (Bild 1) nur eindeutig, wenn auch die Baumstruktur, die der Referenzkennzeichnung zugrunde liegt, bekannt ist. Wieso? Nun, wir müssen uns entscheiden, ob wir das Absperrventil als ein Produkt betrachten, das keine weitere Unterteilung hat, oder ob wir ein Produkt haben, das aus zwei eigenständigen Objekten besteht, die ihre eigene Produkt-Identifikation haben. Da das gleiche Produkt Magnetspule“ auf verschiedenen Ventilgehäusen zu finden ist, sind beide Auffassungen möglich – sie führen aber auch zu unterschiedlichen Referenzkennzeichen.
Das Referenzkennzeichen für die Ma-gnetspule im Schaltplan kann nun folgendermaßen aussehen:
Das Produkt ist nur ein Teil: -Q
Das Produkt besteht aus zwei Teilen:-Q-M oder -Q.M
Betrachten wir im Folgenden das Dokumentationssystem in seinem Aufbau. Für die Darstellung von Informationen in elektrotechnischen Dokumenten existiert eine ganze Reihe von Normen, die zueinander in Beziehung stehen. Ein Teil davon beruht auf IEC/ISO-Normen und kann in mehreren Gewerken angewendet werden. Die Normen mit 80 000er-Nummern wurden sowohl im IEC als auch in der ISO beraten und angenommen.
Die alte DIN 40719 wurde bereits vor 20 Jahren durch die DIN EN 61082-1 abgelöst. Inzwischen muss zwischen den Schriftfelddaten und der Referenzkennzeichnung (RefK) im Gegensatz zu früher strikt unterschieden werden. Gemeinsame Angaben zu den Betriebsmitteln dürfen nicht mehr im Schriftfeld erscheinen; dort stehen nur noch Angaben, die das Dokument selbst betreffen, z. B. die Klassifizierung Stromlaufplan & EFS“.
Die Referenzkennzeichnung eines Objekts muss dieses absolut eindeutig beschreiben. Es können/müssen daher mehrere Aspekte für dasselbe Objekt verwendet werden, wenn ein Aspekt allein nicht absolut eindeutig ist.
Was verbirgt sich aber hinter den Referenzkennzeichen und wie werden sie gebildet? Grundsätzlich geht die IEC 81346-1 davon aus, dass alle zu beschreibenden Maschinen, Anlagen etc. ganz allgemein aus Objekten bestehen. Es spielt hierbei keine Rolle, ob dieses Objekt physikalisch existiert oder nicht. Ein Objekt kann also ein konkretes Bauteil wie ein Kugelhahn sein, aber auch eine komplette Baueinheit, z. B. ein Verflüssigungssatz; ein Objekt kann aber auch das System Kühllagerung“ sein, das aus mehreren existierenden Kältemaschinen gebildet wird. Ob ein Objekt eingeführt und identifiziert werden muss, entscheidet nur der Planende (Techniker, Meister, Ingenieur).
Ein Objekt besitzt üblicherweise drei Hauptaspekte:
Funktionsaspekt (Vorzeichen: =) Was soll ein Objekt machen oder was macht es tatsächlich?
Produktaspekt (Vorzeichen: -) Mit welchen Mitteln macht ein Objekt das, was es soll?
Ortsaspekt (Vorzeichen: +) Wo ist der geplante oder tatsächliche Raum eines Objekts?
Man darf den Aspekt nicht mit der alten Ortskennung und Anlagenkennung verwechseln; einerseits besteht große Ähnlichkeit – aber dennoch weicht ihre Verwendung voneinander ab. Und der Funktionsaspekt ist in den alten Normen gar nicht zu finden. Dies können wir auch daran erkennen, dass die neuen Aspekte grundsätzlich alle an das Objekt geschrieben werden, während die Ortskennung und die Anlagenkennung ihren Platz im Schriftfeld hatten.
Wenn mehrere Referenzkennzeichen (Referenzkennzeichensatz) für ein bestimmtes Objekt gelten, gibt es zwei Möglichkeiten, diese anzugeben (Tabelle 1).
Um anhand dieser Aspekte ein Referenzkennzeichen zuzuweisen, muss die zu dokumentierende Maschine oder Anlage als erstes strukturiert werden!
Hierfür gibt es Regeln:
Die Strukturierung erfolgt auf Grundlage einer Bestandteil von“-Beziehung unter Anwendung des Konzepts der Aspekte von Objekten. Das Objekt Magnetspule“ ist Bestandteil des Objekts Absperrventil“ und dieses Objekt ist wieder Bestandteil des Objekts Kältemaschine“.
Die Strukturen müssen schrittweise gebildet werden. Hierfür gibt es zwei mögliche Vorgehensweisen, die üblicherweise Strukturbäume ergeben, z. B. für den Produktaspekt (Bild 2):
Es können weitere Aspekte (Kosten, Logistik etc.) verwendet werden, wenn sie in einer begleitenden Dokumentation beschrieben sind.
Jedem Objekt, das ein Bestandteil ist, muss ein Einzelebenen-Referenzkennzeichen zugewiesen werden.
Dem durch den obersten Knoten repräsentierten Objekt darf kein Einzelebenen-Referenzkennzeichen zugewiesen werden. Das Objekt, das durch den obersten Knoten repräsentiert wird, erhält nur dann ein Referenzkennzeichen, wenn es in ein übergeordnetes System eingefügt wird.
Neben den Einzelebenen-Referenzkennzeichen gibt es auch Mehrebenen Referenzkennzeichen. Ein Mehrebenen-Referenzkennzeichen besteht aus der Verkettung aller Einzelebenen-Referenzkennzeichen, die der Pfad im Strukturbaum enthält, den man gehen muss, um vom obersten Knoten zum Objekt zu kommen. Hierbei werden alle Einzelebenen-Referenzkennzeichen aneinandergereiht, z. B. -E2-G2.
Die Zuordnung erfolgt nach vier einfachen Regeln, wobei die wichtigste Eigenschaft eines Objekts sein vorgesehener Zweck oder seine Aufgabe ist. Die physikalische Realisierung wird nicht berücksichtigt (z. B. die Art des Produkts).
Wenn ein Objekt mehr als einen vorgesehenen Zweck oder Aufgabe besitzt, geht man nach dem hauptsächlichen Zweck bzw. der hauptsächlichen Aufgabe. Jedes Objekt wird nach seinem vorgesehenen Zweck einer Klasse zugewiesen. Jede Klasse besitzt einen eigenen Kennbuchstaben, der in der Norm aufgeführt ist. Wenn man keinen vorrangigen Zweck festlegen kann – oder will –, dann wird die Klasse mit dem Kennbuchsta-ben A angewendet. Diese Buchstaben werden als Einzelebenen-Referenzkennzeichen den jeweiligen Knotenpunkten im Strukturbaum zugewiesen.
Da die Zuordnung ausschließlich nach dem Zweck und nicht mehr nach dem realen Produkt vergeben wird, können für manche Objekte verschiedene Kennzeichen in Frage kommen, je nach Sichtweise des Betrachters.
Beispielsweise haben alle Verdichter in Kältemaschinen zwei wesentliche Aufgaben:
Druckerhöhung Objektklasse T
Strömung des Kältemittels erzeugen Objektklasse G
Welche dieser beiden Aufgaben ist nun der Hauptzweck? Nur danach richtet sich die Vergabe des Referenzkennzeichens. Es gibt deshalb drei Möglichkeiten für ein RefK (A, G, T). Im technischen Regelwerk wird stets der Begriff Druckerzeuger verwendet, wenn vom Verdichter die Rede ist. Deshalb wäre es konsequent, den Verdichter der Objektklasse T zuzuordnen; aber es gibt keinen Zwang, dies zu tun.
Im Schaltplan taucht ein halb- oder vollhermetischer Verdichter deshalb nicht mehr mit dem BMK -M, sondern mit dem RefK -T, -G oder -A auf. Interessant sind auch die thermostatischen Expansionsventile. Zum einen beeinflussen sie den Kältemittelmassenstrom und gehören im Produktaspekt zur Klasse Q. Ihr Funktionsaspekt richtet sich aber nach der Regelung der Überhitzungstemperatur – also Objektklasse K. Deshalb müssen oft beide Aspekte strukturiert und angewendet werden.
Besonders zu beachten ist, dass der Schaltschrank definitiv kein eigenständiges System ist, sondern ein Bestandteil des Systems Kältemaschine. Dies hat Konsequenzen in der Vergabe der RefK aller Bauteile, die Bestandteil des Schaltschranks sind!
Der Schaltschrank könnte mit dem RefK -A in die Produktstruktur der Kältemaschine eingefügt worden sein. Alle Betriebsmittel im Schaltschrank besitzen also den gemeinsamen Produktaspekt -A. Sie müssen daher mit einer strichpunk-tierten Linie eingerahmt werden, an deren oberer linken Ecke die gemein-samen Aspekte eingetragen werden; oder das gemeinsame RefK -A wird an jedes Element geschrieben.
Die Fühler eines Kühlstellenreglers können auch problematisch sein. Üblicherweise sind sie Lieferbestandteil ebendieses Reglers; aber ihr Einbauort ist der Verdampfer. Wenn die Fühler in der Struktur nun dem Regler zugewiesen wurden, dann besitzen sie ein Mehrebenen-Referenzkennzeichen, das auch auf die Zugehörigkeit zum Schaltschrank verweist. Irrtümlicherweise könnte man zu der Annahme kommen, die beiden Fühler wären im Schaltschrank zu finden. Hier kann nur ein Ortsaspekt für Eindeutigkeit sorgen und muss deshalb angegeben werden.
In Zukunft ist es nicht mehr möglich, die Blattnummer in ein RefK einzufügen. Nach der alten Norm wurden die BMK häufig in der Form -10Q2 oder -Q10.2 geschrieben, sodass auch an den Kontakten sofort ersichtlich war, dass die Schützspule auf Blatt 10 dargestellt ist. Es gibt zwar RefK, die diesem Erscheinungsbild ähneln, aber sie bedeuten etwas ganz anderes. Den Darstellungsort der Schützspule können wir nur noch durch die Querverweise erfahren (z. B. /10.4).
Als Letztes betrachten wir einen Vorteil des neuen Systems. Nehmen wir an, die Kältemaschine hätte zwei Umwälzpumpen: für Kühlwasser des Verflüssigers und für Verdunstungswasser des Rückkühlers. Die eine finden wir eventuell im Maschinenraum und die andere auf dem Dach, dann könnten die beiden Pumpen folgende Referenzkennzeichen besitzen:
Kühlwasser -G1/+Z1,
Verdunstungswasser -G1/+Z3
Eine Unterscheidung ist nur durch den Ortsaspekt möglich.
Nehmen wir weiter an, dass alle Ventile fortlaufend nummeriert wurden. Dann ist dies nicht gerade übersichtlich. Eine weitere Zusammenfassung in Baugruppen wäre hier hilfreich. Und genau an dieser Stelle ist das neue Dokumentationssystem im Vorteil. Man könnte in das Objekt Kältemaschine“ die beiden Objekte Verdampferstation“ und Rückkühlung“ einfügen.
Zum einen wäre durch die Zuordnung der Pumpen zu jeweils einem dieser Objekte der Produktaspekt auch allein wieder eindeutig identifizierend, zum anderen können die Objekte Verdampferstation und Rückkühlung mit standardisierten Versionen im CAD-System hinterlegt werden und ihre Strukturbäume ebenso wie die Zeichnungen einfach in das Gesamtsystem eingefügt werden – ohne irgendeine Veränderung der Einzelebenen-Referenzkennzeichen. Lediglich am Beginn des Strukturbaums wird beispielsweise das RefK -E1 vor die bisherigen RefK der Rückkühlung eingefügt. Ebenso wird auch mit den Schaltplänen in einem CAE-System verfahren.
Das neue“ Dokumentationssystem hat eine sehr enge Beziehung zwischen dem Fließschema einer Anlage und dem dazugehörigen Schaltplan. Die Referenzkennzeichnung im Schaltplan ist nicht mehr allgemeingültig, sondern richtet sich ausschließlich nach der Struktur der Anlage, die vom Konstrukteur der Kältemaschine vorgegeben wurde. Wer sich nun näher mit der Referenzkennzeichnung befassen will, sollte als Einstieg die Langversion dieses Aufsatzes lesen, die im Download angeboten wird. Hier finden sich auch noch Vorschläge zu Infrastrukturelementen. Denn die Normung der RefK von Infrastrukturelementen muss fachbezogen erfolgen.
Dipl.-Ing. Dirk Willenbockel,
stellvertretender Schulleiter der Norddeutschen Kälte-Fachschule, Springe