Die Erzeugung von Kälte gehört zu den kostenintensivsten und klimaschädlichsten energetischen Verfahren in Industrie, Gewerbe und Privatsektor. Schätzungen zufolge beläuft sich der Anteil der Kältebereitstellung auf rund 25 Prozent des europäischen Verbrauchs an elektrischer Energie. Um den Energieaufwand und
die beim Betrieb anfallenden Treibhausgase zu reduzieren, suchen Unternehmen nach klimafreundlicheren und effizienteren Lösungen der Energieversorgung.
Ein Energieträger, der eine besonders günstige Bilanz aufweist, ist Erdgas, das unter den fossilen Energieträgern die geringste Menge an Kohlenstoffdioxid freisetzt und wegen seines immensen
Vorkommens preisgünstig und leicht über das Gasnetz zu beziehen ist.
LNG: Neue Lösung für eine dezentrale Gas-Versorgung
Für den Brennstoff Gas entschied sich im Zuge einer energetischen Neuausrichtung ein großer Tiefkühl-Vertrieb im sächsischen Döbeln. Bislang hatte der Vertrieb seine Kälte ausschließlich aus Strom generiert. Bei einem Anteil von drei Vierteln Braunkohle am sächsischen Brutto-Strommix – dem klimakritischsten fossilen Energieträger – führte dies zu einer deutlichen Belastung der betrieblichen Ökobilanz und des Kostenhaushalts. Da es vor Ort jedoch keine Gasnetzanbindung gab, die einen unmittelbaren Umstieg weg von der Stromversorgung ermöglicht hätte, entschied sich das Unternehmen für eine energetische Neuausrichtung in Form einer dezentralen Lösung auf Basis von Flüssigerdgas. Erstmalig stand dafür eine neu entwickelte, gewerblich einsetzbare Technologie zur Verfügung, welche die Energie, die im verflüssigten Erdgas in Form von Kälte gespeichert ist, hocheffizient nutzbar macht.
Flüssigerdgas ist auf eine Temperatur von -162 °C heruntergekühlt, damit es, auf 1/600 seines natürlichen Volumens komprimiert, platzschonend transportiert und bei dezentraler Nutzung in Satellitenanlagen vor Ort gelagert werden kann. An diese Anlagen schließen Verdampfer-Technologien zur Überführung des flüssigen Gases in seinen ursprünglichen Zustand an, die bislang eine Schwäche aufwiesen: Beim Prozess der Regasifizierung ging das Kältepotenzial des Flüssigerdgases verloren, das vor allem für Industriezweige und Gewerbe, die auf Kälte angewiesen sind, sehr nützlich sein kann.
TrigenerationPLUS: LNG-Tiefkälte wird in Kälteprozesse integriert
Das Versorgungssystem für den TK-Vertrieb wurde durch den Kältetechnik-Spezialisten Eco ice Kälte GmbH aus Borna verwirklicht, der im Verbund mit Experten aus Wissenschaft und Industrie das TrigenerationPLUS-System entwickelt hat. Der Name ist programmatisch für den bezeichneten Prozess, denn in diesem System wird die Technologie der Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung (KWKK) mit dem LNG-Kälterecycling kombiniert. Die drei Komponenten: Strom, Wärme und Kälte aus der KWKK werden um die Tiefkälte aus LNG ergänzt, die nicht mehr ungenutzt in die Umwelt abgegeben, sondern stattdessen in die Tiefkühl-Prozessketten der Kältetechnik kanalisiert wird. Dadurch lässt sich der Einsatz von Primärenergie deutlich reduzieren, die CO2-Bilanz verbessern und die wirtschaftliche Effizienz des Anlagen-Betriebs erhöhen.
Der Technologiepartner YADOS aus Hoyerswerda fügte die Komponenten der KWKK-Seite zusammen: Blockheizkraftwerk (BHKW), Absorptionskältemaschine (AKM), Rückkühler für die AKM mit Wasseraufbereitung sowie eine CO2-Verdichterkältemaschine wurden in eine eigens geplante Containerlösung integriert, in doppelter Ausführung als Redundanzsystem steckerfertig an den Kunden in Döbeln geliefert und von Eco ice als Außenanlage installiert. Das System ist am Kundenstandort seit 2018 erfolgreich in Betrieb.
Funktionsweise der Anlage: Kälte, Wärme, Strom und Tiefkälte aus LNG
Beim Döbelner Energieversorgungssystem befindet sich das Flüssigerdgas in einem vakuumisolierten und verstärkten LNG-Isolierspeicher mit einem Fassungsvermögen von 60 m³, in dem es bei einer Temperatur von -149 °C unter 2,5 bar Kompressionsdruck gelagert wird.
In einem 2017 von Eco ice patentierten Wärmeübetrager erfolgt die Rückvergasung des Flüssigerdgases: Das LNG wird durch Verdampfung wieder in seine ursprüngliche Gasform überführt und gibt die dabei freiwerdende Kälteleistung an eine Wärmeüberträgerflüssigkeit (synthetisch oder CO2-basiert) ab. Das auf diese Weise erzeugte Kälteniveau liegt bei -45 °C. Die Überträgerflüssigkeit transportiert die Kälteenergie direkt an den dafür vorgesehenen Abnahmepunkt, etwa den Kaltlufterzeuger im Tiefkühlhaus. Im Rücklauf wird das auf -35 °C erwärmte Fluid in den Wärmeübertrager zurückgeleitet, um dort erneut die freigesetzte Regasifizierungskälte aufzunehmen. Parallel zu diesem Vorgang wird nach einer weiteren Wärmezufuhr in einem luftbeaufschlagten Wärmeübertrager das Erdgas in das YADOS-BHKW eingespeist und im KWKK-Verfahren in Strom mit einer elektrischen Leistung von 50 kW und Prozesswärme von 81 kWth umgesetzt. Die Prozesswärme wiederum treibt die AKM an, in der ein Ammoniak-Wasser-Kältemittel zirkuliert – ein Mittel, das weder Treibhausgasemissionen noch Ozonabbaupotenzial aufweist und im Einklang mit der neuesten Kälte-Klima-Richtlinie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) steht (in Kraft seit dem 1. Januar 2019).
Neben dem LNG-Kälterecycling werden weitere Kältebedarfsgrößen durch die Kombination der AKM und eines CO2-Kälteverdichters abgedeckt. Eine Kompressionskältemaschine steht nur noch als Unterstützung für Fälle der Spitzenauslastung bereit; sie bezieht den hierfür benötigten Strom vollständig aus dem BHKW-Prozess. Die Abwärme des AKM-Betriebs von 20 bis 30 °C wird ebenfalls energetisch weiter genutzt, indem sie etwa die Frischluft erwärmt, die dem BHKW zugeführt wird. Diese Verwertung von Wärme erweist sich insbesondere bei kalten Wintertemperaturen als energetisch relevant. Alternativ findet die Abwärme auch für Abtaumaßnahmen oder zur Lagerbeheizung Verwendung.
Das Monitoring der komplexen Vorgänge zwischen Speicher, Energieanlage und den Verbrauchern erfolgt über eine intelligente, übersichtlich visualisierende Leit- und Steuertechnik. Im Fall des TK-Vertriebs in Döbeln übernimmt dies das Leitsystem YADO|LINK, das die Energiezentrale überwacht und Energieflüsse reguliert, wenn etwa die AKM keine Wärme mehr benötigt.
Gesenkte Betriebskosten und hohe CO2-Reduktion
Die Investition in die energetische Neuausrichtung hat sich für das TK-Unternehmen aus mehreren Gründen gelohnt: Der deutlich gesenkte Verbrauch bei stabiler Versorgungssituation schlägt sich auf die Betriebskosten nieder und verbessert durch die Vermeidung von rund 300 Tonnen CO2 jährlich die Klimabilanz des Betriebs. 46 Kilogramm CO2 je verbrauchten Kubikmeter LNG spart dabei das innovative Kälterecycling ein.
Damit verfügt der Döbelner TK-Vertrieb über eine der fortschrittlichsten Lösungen im Bereich der dezentralen Kälteerzeugung in Deutschland. Eine Lösung, die für alle Kälteverbraucher, die netzunabhängig agieren möchten, eine energieeffiziente und klimafreundlichere Option darstellt.
Über YADOS GmbH
Als modernes europäisches Unternehmen setzt YADOS seinen Schwerpunkt in die Entwicklung von innovativen und funktionalen Produkten sowie komplexen Lösungen im Bereich der Fernwärmestationen und Blockheizkraftwerke. Das in Hoyerswerda ansässige Unternehmen bietet Lösungen in vier Sparten: Energieerzeugung mittels Kraft-Wärme- und Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung, Wärmekompaktstationen, Wärmeverteilstationen sowie die Leit- und Kommunikationstechnik. Damit wird das gesamte Spektrum von der Energieerzeugung bis zur Lieferung abgedeckt. Mit mehr als 200 Mitarbeitern in Entwicklung, Vertrieb, Fertigung, Projektabwicklung und Administration erreichte die YADOS GmbH im Jahr 2017 einen Umsatz von 33,5 Mio. Euro. www.yados.de
Aus Erdgas wird LNG
Bei Erdgas im bekannten gasförmigen Aggregatzustand handelt es sich um einen Energieträger mit besonders geringer volumetrischer Dichte. Da die Verfügbarkeit von Erdgas in der Regel an komplexe Verteil- und Lagerprozesse gebunden ist, wird die Entwicklung innovativer Transportsysteme und Speichertechnologien mit Nachdruck vorangetrieben. Gleichzeitig gilt der Flexibilisierung des Energieträgers selbst ein besonderes Interesse: Wird das Gas in einen flüssigen Zustand (Liquefied Natural Gas/LNG) versetzt, ergeben sich daraus geeignete Optionen für die Beförderung in Spezialtankern und für die Aufbewahrung, etwa
in größeren Zentrallagern (LNG-Terminals) oder auch in sogenannten Satellitenanlagen direkt am Abnahmeort.
Um Erdgas zu verflüssigen, wird es auf ein Temperaturniveau von -162 °C heruntergekühlt und die dabei entstehende Kondensationswärme abgeführt. Unter atmosphärischem Druck nimmt das Gas einen liquidartigen Zustand an, der eine 600-mal höhere Dichte, also nur noch ein Sechshundertstel des ursprünglichen Gasvolumens (bei 15 °C und Normaldruck von 1,013 bar) aufweist.
Durch das spätere Verfahren der Regasifizierung mittels eines Verdampfers, kann das LNG wieder in seinen gasförmigen Ausgangszustand zurückversetzt werden. Bislang blieb das bei diesem Prozess frei werdende Kältepotenzial nahezu vollständig ungenutzt.
Die Auswertungsdaten einer LNG-Rückvergasungsanlage an einem europäischen Hafen-Terminal verdeutlichen das hohe energetische und ökologische Potenzial, das sich durch den Kälterückgewinnungsprozess erschließen lässt: Bei der Rückvergasung von 3000 m3/h LNG geht eine Kühlleistung von rund 200 MW an die Umwelt verloren. An einem LNG-Hafen-Terminal kann unter einem Druck von 80 bar eine Kühlleistung von mehr als 100 MW bis zu einem Temperaturniveau von -50 °C gewonnen werden. Auf diese Weise lassen sich 100 MW elektrischer Leistung ersetzen und gleichzeitig eine Reduktion von mehr als 480 000 Tonnen CO2 pro Jahr erzielen.
Über LNGcold solutions GmbH – Vertriebspartner der Eco ice Kälte GmbH
Die in Leipzig ansässige LNGcold solutions GmbH setzt ihren Schwerpunkt auf die weltweite Vermarktung der Technologie LNGcold advancedREGAS zur Kälterückgewinnung aus cryogenen Gasen, insbesondere aus Flüssigerdgas (LNG).
Das Unternehmen baut und betreibt weltweit All-in-one-Systeme für Kälteanwendungen basierend auf LNG als Kältequelle, unter anderem für Tiefkühllagerung, Schockfrosten sowie eine Vielzahl von kältebasierten Produktionsprozessen. LNGcold solutions ist eng mit Hochschulen und industriellen Partnern vernetzt und nutzt die entstehenden Synergien im Bereich der Forschung und Entwicklung zur Einbindung der Kälterückgewinnung basierend auf LNG in weitere verfahrens- oder gebäudetechnische Prozesse, um konventionelle Kälte zu ersetzen wo immer dies möglich ist.