Die Maschinenfabrik Berthold Hermle AG gehört zu den mittelständischen Technologieführern, für die Baden-Württemberg rund um den Globus bekannt ist. Besser fräsen“ lautet der Slogan des 1938 gegründeten Unternehmens, wobei Hermle-Maschinen weit mehr als das können: Die CNC-gesteuerten Bearbeitungszentren drehen, fräsen, bohren und schleifen Metallteile aller Art, von metergroßen Verdichterrädern für Flugzeugtriebwerke bis zu filigranen Titan-Implantaten für die Medizintechnik.
Alle Maschinen werden am Hauptsitz in Gosheim, in der Nähe von Rottweil, gefertigt. Das anhaltende Firmenwachstum sowie der Umzug der Automatisierungstochter Hermle-Leibinger Systemtechnik (HLS) nach Gosheim machten eine Flächenerweiterung erforderlich: Ende November 2014 wurde eine neue Montagehalle mit angedocktem Bürotrakt fertiggestellt. Die Halle weist eine Montagefläche von 2 000 m2 und eine lichte Höhe von 14 m auf, sodass auch die größten Anlagen der Reihen C 50 und C 60 darin Platz finden. Die Maschinen werden hier an mehreren Montageinseln aufgebaut, automatisiert und vor der Auslieferung ausgiebigen Tests unterzogen.
Schon in der Vorplanungsphase der neuen Halle hatte man sich bei Hermle dafür entschieden, ein modernes Gesamtkonzept zur Energieversorgung zu entwickeln. Dies geschah sowohl aus ökologischen als auch aus wirtschaftlichen Überlegungen. Signifikante Einsparungen sollten vor allem durch die Eigenerzeugung von Strom sowie durch Reduktion der Laufzeiten von Kompressionskältemaschinen erzielt werden.
Ein Grad Celsius ist schon zu viel
Tatsächlich steht das Thema Kühlung bei Hermle im Mittelpunkt: Vor allem während der Tests laufen die Maschinen oft mehrere Stunden, wodurch sich die Hallenluft stark aufheizt. Diese Abwärme stellt ein Problem dar, denn starke Temperaturschwankungen können Ungenauigkeiten bei der Justierung der Maschinen zur Folge haben – ein absolutes No-Go, da die Produkte gerade dankihrer sprichwörtlichen Präzision geschätzt werden. Schon bei einem Grad Erwärmung liegen die Maßabweichungen in der Größenordnung von einem hundertstel Millimeter auf einen Meter Guss“, erklärt Hermle-Produktionsvorstand Alfons Betting. Und dieses Hundertstel ist oft schon das Maß, das wir erreichen wollen.“ Kritisch seien Temperaturgradienten von über 0,5 °C/Stunde.
Eine Klimatisierung der Montagehallen ist daher unabdingbar. Schon in der Übergangszeit müssen wir wegen der Maschinenabwärme kaum noch heizen. Wir haben hier also weniger ein Wärme- als vielmehr ein Kälteproblem.“ Wenn die Außentemperatur über 15 °C steige, sei bereits eine aktive Kühlung der Hallenluft erforderlich. Während die ältere Montagehalle mithilfe herkömmlicher Kompressionskältemaschinen klimatisiert wird, strebte Hermle bei der neuen Halle anstelle der stromfressenden Kompressoren eine zeitgemäße, ressourcenschonende Lösung an. Die Wahl fiel auf das Konzept der Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung (KWKK) mit einer Kombination aus Blockheizkraftwerk und Absorptionskälteanlage, welche aus der Abwärme des BHKW direkt nutzbare Kälte erzeugt. Außerdem reizte uns die Idee, dass wir mit dem BHKW gleichzeitig noch Strom für den Eigenverbrauch produzieren können.“
BHKW-Kaskade statt Einzelanlage
Beim BHKW entschied sich das Unternehmen für ein modulares System des Herstellers Frako Power Systems aus Teningen bei Freiburg im Breisgau. Drei kaskadierte Anlagen vom Typ FP20 liefern eine Wärme-Ausgangsleistung von je rund 40 kW; diese wird einem 5 000-Liter-Schichtenspeicher zugeführt. In der kalten Jahreszeit dient die gespeicherte Wärme zur Temperierung (Betonkernaktivierung) des Hallenbodens auf 16 °C sowie zur Warmwasserbereitung, die meiste Zeit des Jahres wird sie jedoch ganz oder teilweise von der Kältemaschine beansprucht. Je nach Außentemperatur wird die Lufttemperatur in der Halle so konstant bei 22 bis 23 °C gehalten.
In allen Jahreszeiten ist somit eine sehr hohe Auslastung der BHKW sichergestellt: Bei Hermle rechnet man mit jährlichen Laufzeiten von 7 000 bis 7 500 Stunden. Wichtig war dafür eine exakte Abstimmung der BHKW auf die Kälteanlage: Die Wärmeleistung der drei BHKW zusammen entspricht in etwa dem Wärmebedarf der Absorptionskältemaschine von 111 kW, die daraus 83 kW nutzbare Kälte erzeugt. Die Kältemaschine hat eine bevorzugte Zuschaltung, das heißt bei maximalem Kältebedarf arbeiten alle drei BHKW ausschließlich für die Kühlung. Zwei als Reserve für besonders kalte Tage vorgehaltene Brennwert-Heizkessel wurden bisher kaum benötigt – die Wärmeerzeugung der BHKW erwies sich im ersten Betriebswinter als vollkommen ausreichend. Der erzeugte Strom – ein Drittel der BHKW-Gesamtleistung – geht komplett in den Eigenverbrauch und deckt die Grundlast ab. Auf diese Weise wird die aus dem Netz bezogene Strommenge erheblich reduziert und damit mehr Unabhängigkeit von steigenden Strompreisen gewonnen.
Hohe Ausfallsicherheit und Flexibilität
Die einzelnen BHKW-Module wurden mittels einer Kaskadenschaltung nach dem Tichelmann-Prinzip miteinander verbunden. Im Unterschied zu einer Einzelanlage bietet das modulare System Vorteile sowohl im Betrieb als auch bei der Wartung“, betont Jan van het Reve, Geschäftsführer von Frako Power Systems. Wir erreichen damit eine hohe Ausfallsicherheit, außerdem lässt sich der Betrieb flexibel an den momentanen Energiebedarf anpassen.“ In Abhängigkeit von der Temperatur im Pufferspeicher werden die FP20-Module automatisch zu- oder abgeschaltet. Dabei gilt das Prinzip der Laufzeitsynchronisation: Es wird immer das BHKW mit der geringsten Laufleistung zuerst eingeschaltet, um die Wartungsintervalle zu harmonisieren. Der übliche Wartungszyklus liegt bei 3 000 Betriebstunden.
Das Konzept, anstelle einer großen Anlage kleinere Module zu kombinieren, hat uns überzeugt“, bestätigt Betting. Auf diese Weise ist bei der Wartung oder bei Reparaturen nie die gesamte Anlage außer Betrieb.“ Alle Ein- und Ausschaltvorgänge erfolgen, gesteuert über Sensoren im Wärmespeicher, vollautomatisch, ohne dass jemand eingreifen muss. Dies gilt auch im Fall von Anlagenstörungen, denn Frako Power Systems hat ein Fernwartungssystem via Mobilfunk (UMTS) installiert. Dank dieses Systems sind wir in der Regel früher als unsere Kunden im Bilde, dass es überhaupt eine Störung gibt“, so die Erfahrung von Jan van het Reve. Wir können die relevanten Maschinendaten sofort auswerten und so nicht nur gezielt innerhalb kürzester Zeit reagieren, sondern auch vorausschauend agieren.“
Effektive Planung und Umsetzung
Die Idee, statt herkömmlicher Kompressionskühlung ein KWKK-Konzept zu realisieren, wurde bei Hermle im eigenen Haus entwickelt. Die anschließende Planung und Umsetzung erfolgte ohne externe Fachplaner in enger Zusammenarbeit mit bewährten Fachfirmen“, berichtet Betting. Auch für uns war es eine positive Erfahrung, direkt mit allen beteiligten Fachfirmen am runden Tisch zu sitzen, um eine gemeinsame Lösung von Grund auf zu erarbeiten“, pflichtet Jan van het Reve bei. Die enge Abstimmung hat sehr gut funktioniert, alle beteiligten Gewerke haben ihre Kompetenz eingebracht und Hand in Hand gearbeitet.“
Das Ergebnis der engen Kooperation kann sich sehen lassen: Im Vergleich zu einer Klimatisierung mittels Kompressionskälte rechnet man nun mit deutlichen Einsparungen bei den Energie- und Betriebskosten im mittleren fünfstelligen Bereich. Infolge der gekoppelten Strom- und Wärmeproduktion wird zudem die Primärenergie wesentlich effizienter ausgenutzt, wovon auch die Umwelt profitiert.
KWKK-Lösung für Hermle AG
Grundlast:
Drei kaskadierte BHKW-Module (Typ FP20 von Frako Power Systems) mit je 19,2 kW elektrischer und 36,1 kW Wärmeleistung, Gesamtwirkungsgrad 94,7 Prozent
Zusätzliche Wärmenutzung durch nachgeschalteten Abgaswärmetauscher
Absorptions-Kälteanlage (Typ Wegracal SE80 von EAW) mit 83 kW Kälteleistung
Reserve:
Zwei Brennwertkessel (Typ WTC-GB-210A von Weishaupt) mit je 210 kW Wärmeleistung
Zwei Kältekompressionsanlagen (Kaltwassersatz Typ EWLD-J-SS 165 von Daikin) mit je 165 kW Kälteleistung