Mitten im baden-württembergischen Leonberg entsteht derzeit der terrassenförmig angelegte Neubau eines der größten Automobilzulieferer weltweit. Das Gebäude mit gut 26 m Dachhöhe soll die neue Wirkungsstätte für etwa 2000 Mitarbeiter werden. Im Erdgeschoss ist eine Kindertagesstätte sowie eine Gastronomie untergebracht, der Rest des Neubaus soll für Verwaltungs- und Forschungstätigkeiten genutzt werden. Seit dem Jahr 2020 kann das Unternehmen von sich behaupten, dass all seine mehr als 400 Standorte klimaneutral sind. Entsprechend lag der Fokus auch bei dem Neubau in Leonberg auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. So sollen die Anforderungen bezüglich Heizung und Kühlung über luftgekühlte Kaltwassersätze und wassergekühlte Wärmepumpen abgedeckt werden. Doch auf was ist hier zu achten und welche Optimierungen beeinflussen die Effizienz des Projektes?
Vom Ozonloch bis zur ewigen Chemikalie
Die Auswahl bei den Kältemitteln ist groß, die Unsicherheit riesig. PFAS sind in aller Munde und doch weiß niemand so richtig, was das für die Zukunft von Wärmepumpen und Kaltwassersätzen bedeutet. Beginnen wir zunächst mit der Betrachtung von Kältemitteln in den 70er Jahren. Wie allseits bekannt, waren Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW wie bspw. R12) in hohem Maße für den Abbau der Ozonschicht verantwortlich. Nachdem man davon Kenntnis erlangte, ließen die Verbote nicht lange auf sich warten. Die Verdrängung ging recht zügig vonstatten, weil teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW) als Ersatzstoffe bereits mit ähnlich guten thermodynamischen Eigenschaften zu glänzen wussten. Was damals allerdings noch niemand ahnte war die Treibhausgaswirkung dieser Stoffe. Im Kyoto-Protokoll der Vereinten Nationen wurden im Jahr 1997 H-FKW und FKW als Treibhausgase eingestuft. Letztlich ein wichtiger Schritt, um die Erde vor chemisch produzierten, umweltschädlichen Kältemitteln zu schützen.
Mit der ursprünglichen F-Gase-Verordnung im Jahr 2006, deren Neuauflage 2014 sowie der voraussichtlichen Novellierung Anfang 2024, kam und kommen weitere Bausteine, die die Nutzung der fluorierten Gase immer weiter einschränken. Dies zeigt sich bereits heute in der Verfügbarkeit sowie in den Preisen. Die Überarbeitung der Verordnung nennt einen vollständigen Ausstieg aus der Nutzung von H-FKW bis 2050. Alleine bis 2030 soll eine Reduzierung der H-FKW um 95 Prozent gegenüber 2015 erreicht werden. Seit diesem Jahr macht unter dem Begriff PFAS (Per- und Polyfluoralkylsubstanzen) auch noch eine neuentdeckte negative Eigenschaft dieser H-FKW und FKW die Runde. Es sind fluorhaltige Substanzen in den Kältemitteln, die extrem persistent sind und durch die Vergiftung der Umwelt auch für den Menschen eine Gefahr darstellen.
Der Weisheit letzter Schluss
R 290, auch unter Propan bekannt, ist ein Kältemittel natürlichen Ursprungs. Dabei handelt es sich um ein Gas, das zu den Kohlenwasserstoffen gehört. Ob es der Weisheit letzter Schluss sein wird, wird sich wie vieles andere zur Zeit nicht mit Sicherheit beantworten lassen. Momentan stehen die Sterne allerdings gut. Das natürliche Kältemittel überzeugt mit herausragenden thermodynamischen Eigenschaften sowie einer hohen Umweltverträglichkeit (GWP von 3) und wird daher zurecht keinen Verboten durch EU-Regelungen unterliegen.
Bei dem Kältemittel Propan handelt es sich um ein brennbares Gas (Einstufung nach ISO 817 und ANSI/ASHRAE 34 in die Sicherheitsklassifizierung A 3). Mit dem notwendigen Wissen lassen sich bei R 290-Anlagen Vorkehrungen treffen, um jegliche Risiken diesbezüglich zu vermeiden. Wichtig ist, dass die Anlagen so ausgeführt sind, dass sie den gesetzlichen Normen und Vorgaben entsprechen. Um eine Leckage so unwahrscheinlich wie möglich werden zu lassen, müssen alle Verbindungen in der Anlage auf Dauer technisch dicht sein. Sollte es dennoch dazu kommen, greift das Anlagensicherheitskonzept, das so auch in Leonberg zur Anwendung kommt. Die Anlagen werden durchgehend mit einem Gassensor überwacht. Dieser ist mit einem zweistufigen System gekoppelt.
Für ein entzündliches Luft-Propan-Gemisch muss sich ein gewisses Verhältnis ergeben. Die Untergrenze liegt bei einem Propananteil in der Luft von circa 1,7 Volumenprozent und die Obergrenze bei circa 10,8 Volumenprozent. Mit dem eingebauten Gassensor, der bei zehn Prozent der Untergrenze, also 0,17 Volumenprozent, detektiert, schaltet die erste Stufe des Konzeptes. Das Maschinengehäuse mit den kältemittelführenden Teilen wird dann durch einen großzügig dimensionierten ATEX-Lüfter belüftet, das austretende Propan wird somit in einer nicht zündfähigen Konzentration direkt in die Umgebung abgeführt und weiter verdünnt. Beim Erreichen der 20-Prozent-Schwelle werden alle nicht ATEX-zertifizierten elektrischen Komponenten spannungsfrei geschaltet. Alle sicherheitsrelevanten Bauteile sind in ATEX ausgeführt und bleiben in Betrieb.
Oftmals ist eine Aufstellung einer Propananlage im Freien möglich. Dies sollte – wann immer möglich – auch genutzt werden. Propan ist sehr flüchtig, so dass es bei richtig ausgeführter Außenaufstellung zu keiner Propanansammlung kommen kann. Auch für innenaufgestellte Anwendungen gibt es Lösungen, entweder durch die Konzeption spezieller Maschinenräume oder mittels Anlagen mit geringer Kältemittelfüllmenge und belüftetem Gehäuse, die modular erweiterbar sind.
3502 kW Heizleistung, 1032 kW
Kühlleistung
Wie auch beim Neubau in Leonberg bietet sich idealerweise das Dach des Gebäudes dafür an. Dort stehen mittlerweile zwei Kaltwassersätze sowie zwei Wärmepumpen und sorgen mit dem natürlichen Kältemittel Propan für ein optimales Klima im Gebäude. Ausgestattet mit frequenzgeregelten Schraubenverdichtern können die jeweiligen Anforderungen bedient werden. Die luftgekühlten Kaltwassersätze mit EC-Lüftern werden zur Klimatisierung des Gebäudes eingesetzt und leisten jeweils 516 kW Kühlleistung. Wie wichtig projektspezifische Auslegungen sind, zeigt ein Blick auf die Vorlauftemperatur. Im Gegensatz zu den üblichen Vorlauftemperaturen von 6 °C für die Klimatisierung konnte man durch die Anhebung der Vorlauftemperatur auf 13 °C die Effizienz der Anlage erheblich steigern. Die Komponenten wie Wärmetauscher und Kompressoren wurden speziell auf die hohe Vorlauftemperatur ausgelegt, mit möglichst geringem Delta-T zur Austritts- und Umgebungstemperatur.
Die Sole-Wärmepumpen – ausgeführt als begehbare Technikzentrale in zwei Maschinen-Containern – erzielen eine Wärmeleistung von jeweils 1751 kW. Im Sommerbetrieb wird die Quelle von 16 °C auf 9 °C abgekühlt, während die Senke von 40 °C auf 45 °C aufgeheizt wird. Hierzu wird aus der bestehenden Lüftungsanlage die Fortluft, die üblicherweise verloren geht, als Wärmequelle für die Sole-Wärmepumpen genutzt. In den Lüftungskanälen werden zusätzliche Wärmetauscher eingesetzt, die diese Abwärmenutzung ermöglichen. Neben dem von der Wärmepumpe erreichten COP von 4,43 führt dies zu einer weiteren Steigerung der Gesamteffizienz der HLK-Anlage. Auch im Winterbetrieb (Quelle von -9,5 °C auf -13 °C, Senke von 24 °C auf 30 °C) wird ein COP von 3,62 erreicht. Mit 0,07 kg Propan je kW kann eine deutliche Reduzierung der Füllmenge im Vergleich zu konventionellen Kältemitteln erreicht werden. Eine F-Gas-Wärmepumpe mit dem gängigen Kältemittel R410A würde in diesem Anwendungsfall ca. 0,14 kg je kW benötigen. Es wird also eine um circa 50 Prozent geringere Füllmenge erzielt. Setzt man dieses Verhältnis in Relation zur Gesamtfüllmenge der Wärmepumpe und dem daraus resultierenden Treibhausgaseffekt, würde das CO2-Äquivalent von R 410A bei circa 1000 t liegen, das von Propan jedoch liegt bei nur 0,18 t. ■