In Gefriertrocknungsanlagen sowie Laborthermostaten und Klimaschränken/-kammern für tiefe Temperaturen kommen auf-grund der Sicherheit bisher fast ausschließlich synthetische F-Gase zur Kälteerzeugung zum Einsatz – in der unteren Stufe der ent-sprechenden Kaskadenkälteanlagen überwiegend R 23 bzw. Kältemittelgemische miteinem hohen R 23-Anteil. Brennbare Kältemittel konnten sich aufgrund der sehr hohenSicherheitsanforderungen nur bedingt bei kleinen Laborgeräten durchsetzen. Der Ein-satz von flüssigem Stickstoff zur Kälteerzeugung erfordert hingegen sehr hohe Investi-tionen. Aus diesem Grund wurde an der Hochschule Karlsruhe zusammen mit der Martin Christ GmbH, Osterode, im Rah-men eines vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) innerhalb des ZIM-Programms geförderten Forschungsprojektes untersucht, inwieweit natürliche, nicht brennbare Kältemittel in Gefriertrocknungsanlagen als Ersatz für die synthetischen F-Gase mit sehr hohem Treibhauspotenzial genutzt werden können.
Allgemeine Hinweise zur Gefriertrocknung
Die Gefriertrocknung ist die produktschonendste Methode, Materialien zu trocknen.Dabei wird das physikalische Phänomen der Sublimation ausgenutzt, d. h. der direkte Übergang vom festen in den gasförmigen Zustand. Das gefrorene Produkt wird unter Vakuum getrocknet ohne aufzutauen. Die unter Vakuum bei der Trocknung ausgetriebene Feuchtigkeit (häufig Wasser) wird an dem sehr kalten (in der Regel mit R 508 gekühltem) Eiskondensator angefroren, weshalb der Eiskondensator auch als Dampfpumpe bezeichnet werden kann. Daraus ergibt sich, dass die Vakuumpumpe nur die Aufgabe hat, die Luft aus der Trocknungskammer zu entfernen, nicht aber den ausgetriebenen Dampf abzupumpen, weshalb sie auch als Gaspumpe bezeichnet wird. Für den Sublimationsprozess muss dem Produkt Energie zugeführt werden. Dies erfolgt bei der Trocknung in Rundkolben, Weithalsflaschen etc. durch die sehr viel wärmere Umgebung (direkte Kontaktwärme), bei unbeheizten Stellflächen durch Wärmeeinstrahlung aus der Umgebung und bei temperierbaren Stellflächen direkt durch die Stellflächen. Ist dem Produkt das freie Wasser“ vollständig entzogen, kann man durch ein sehr tiefes Vakuum auch noch das in Spuren enthaltene, adsorptiv gebundene Wasser entziehen. Dieser Teil des Trocknungsprozesses wird als Nachtrocknung (Desorption) bezeichnet.
Kältemittel in der Gefriertrocknung
In Gefriertrocknungsanlagen kommen bisher fast ausschließlich synthetische F-Gase zur Kälteerzeugung zum Einsatz. Hinsichtlich der Kältemittel- und Verfahrensauswahl sind die besonderen Anforderungen bei der Gefriertrocknung bezüglich tiefer Temperaturen zu berücksichtigen, d. h. Verdampfungstemperaturen 1-stufig bis unter 55 °C und 2-stufig bis unter 85 °C. Dadurch ist die Kältemittelauswahl auf die Kältemittel Isceon 89 (GWP 3805) bei 1-stufiger und 2-stufiger Verdichtung und R 404 A (GWP 3780) / R 508 (GWP 11940) bei Kaskadensystemen beschränkt. Das Kältemittel R 508 ist ein Gemisch aus R 23 (39 Prozent) und R 116 (61 Prozent).
Brennbare Kältemittel konnten sich aufgrund der sehr hohen Sicherheitsanforderungen bisher nur bedingt bei Laborgeräten und kleinen Pilotanlagen mit geringer Kälteleistung und damit kleiner Kältemittelfüllmenge durchsetzen.
Der Einsatz von flüssigem Stickstoff zur Kälteerzeugung erfordert sehr hohe Investitionen in die LN2-Lager- und Gebäudetechnik, wodurch sich nur Produktionsanlagen großer Leistung wirtschaftlich mit LN2 betreiben lassen.
Kaltluftprozess
Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen des ZIM-Programms geförderten Forschungsprojektes (Förderkennzeichen: KF2912101 NT1) wurde der Kälteprozess auf Basis des Joule-Prozesses, bestehend aus Verdichter, Wärmeübertragern (inklusive innerem Wärmeübertrager) und Expansionsmaschine für die Gefriertrocknung untersucht.
Der Joule-Prozess besteht aus zwei isentropen und zwei isobaren Zustandsänderungen (Bild 1). Nach der isentropen Verdichtungwird isobar abgekühlt, um dann isentrop zu entspannen. Anschließend wird isobar wieder Wärme aufgenommen. Wird in diesem Prozess Luft als Medium verwendet, kommt es durch die isentrope Expansion zu einer großen Temperaturabsenkung. Dies liegt an dem speziellen Zusammenhang zwischen Entropie und Enthalpie von Luft in der Gasphase.
Bei einem idealen Gas hängt die Enthalpie nur von der Temperatur ab. Die Isenthalpen verlaufen in einem T-s-Diagramm von idealem Gas somit waagrecht. Luft verhält sich bei niedrigen Drücken und hohen Temperaturen, d. h. in weiter Entfernung vom Zweiphasengebiet wie ein ideales Gas. Dies hat zur Folge, dass bei einer isenthalpen Expansion die Tem-peratur annähernd gleich bleibt. Dagegen bei einer adiabat und reibungsfreien, d. h. isentropen Expansion eine hohe Enthalpiedifferenz entsteht und somit sehr hohe Temperaturunterschiede erzeugt werden können (Bild 1).
Reale Verdichter und Expansionsmaschinen haben isentrope Gütegrade unter 1. So erzielen moderne Abgasturbolader zum Beispiel isentrope Gütegrade von 0,6 bis 0,7 und im Auslegungspunkt auch bis 0,75. Durch den vom Idealzustand abweichenden Expansionsprozess ergibt sich eine höhere Expansionsmaschinen-Austrittstemperatur (Bild 2). Über das an der Expansionsmaschine anliegende Druckverhältnis lässt sich die Austrittstemperatur der Expansionsmaschine einstellen (Bild 3).
An der Hochschule Karlsruhe wurde im Rahmen des ZIM Projektes der in Bild 5 skizzierte Prototyp zu Versuchszwecken aufgebaut. Er besteht aus einer vollständigen Gefriertrocknungsanlage mit Eiskondensator und Stellflächenkühlung, einem Druckluftverdichter, Druckbehälter, dem inneren Wärmeübertrager und einer Expansionsmaschine. Die Kopplung zwischen Expansionsmaschine und Verdichter wurde hierbei aufgrund von höherer Flexibilität ausgelassen. Berechnungen haben ergeben, dass durch die Einspeisung der Expansionsenergie in den Verdichtungsprozess die Kälteleistungszahl um bis zu 30 Prozent erhöht werden kann (Bild 4).
Die Auswahl der in Frage kommenden Komponenten für die Verdichtung sowie für die Expansion erwies sich aufgrund der hohen Anforderungen als sehr schwierig.
Ein entscheidender Faktor ist der möglichst hohe isentrope Wirkungsgrad der Expansionsmaschine. Eine ideale Entspannungsmaschine ist möglichst reibungsfrei, wobei nicht nur die Reibung zwischen den Bauteilen, sondern auch die Reibung aufgrund von Turbulenzen in der Strömung gemeint ist. Weiterhin ist sie annähernd adiabat. Diese Faktoren verringern den irreversiblen Anteil, senken die Entropiedifferenz und verbessern somit den isentropen Wirkungsgrad. Dieser kann nicht direkt gemessen oder anhand von Geometriedaten bestimmt werden. Deshalb müssen die Expansionsmaschinen getestet oder in einer CFD-Simulation nachgebildet werden.
Während der Recherche und der Durchführung von Versuchen hat sich herausgestellt, dass die absolute Dichtigkeit nach außen und minimale Leckagen im Inneren für die Funktion der Anlage und des Expanders von großer Bedeutung sind. Eine Leckage im Inneren, also das Überströmen des Fluides von Hochdruck- zu Niederdruckseite ohne Arbeit zu verrichten, verringert den isentropen Wirkungsgrad und verschlechtert die Effizienz der Gesamtanlage. Da der Kreislauf geschlossen ist, würde eine Leckage nach außen zu Verlustmassenströmen führen. Leckagen treten meist an Wellenverbindungen und beweglichen Teilen auf. Deshalb können die Hersteller komplette Dichtigkeit nur schwer realisieren. Die tiefen Temperaturen erschweren dies zusätzlich.
Als Versuchsobjekt wird eine Scrollmaschine gewählt. Eigentlich ist diese ein Verdichter und wird hier in umgekehrter Richtung als Expander betrieben. Der Expander ist ölfrei und hat einen Normvolumenstrom von 640 l/min. Abgebremst wird er über eine Lichtmaschine aus dem Kfz-Bereich.
Die Messungen haben einen Gütegrad von ca. 0,2 ergeben (Bild 6). Dieser konnte auch durch Verringerung der inneren Leckagen und Modifikation der Scrollmaschine nicht verbessert werden. Mit dieser energetisch sehr schlechten Expansionsmaschinen konnte dennoch eine Temperatur von 50 °C erreicht werden.
Da Luft als Kältemittel bei diesen Temperaturen keinen Phasenwechsel durchläuft, erwärmt sie sich bei Wärmezufuhr (vergleiche Bild 1). Dabei ist zu beachten, dass bei geforderter Maximaltemperatur über die benötigte Kälteleistung und den vorhandenen Massenstrom eine benötigte Mindesttemperatur erreicht werden muss.
Um niedrige Temperaturen erreichen zu können, müsste eine Expansionsmaschine entwickelt werden, die den Anforderungen bei Einsatz in einem Kaltluftprozess für tiefe Temperaturen (bis zu 100 °C) entspricht und somit eine höhere Temperaturdifferenz erzeugt werden kann. Aufgrund der Baugröße und möglichen Ölfreiheit wären Turbomaschinen, vorrangig die Radialturbinen, als Expansionsmaschine am besten geeignet. Eine auf die geforderten Temperatur- und Druckverhältnisse angepasste Turbine als Expansionsmaschine und Verdichter verspricht hohe isentrope Wirkungsgrade und damit hohe Kälteleistungszahlen – potenziell höher als mit Kaltdampfkompressionsanlagen bei diesen Temperaturbedingungen [Kauffeld 1993]. Jedoch sind Turbinen im geforderten Temperaturbereich zurzeit nur für große Massenströme und in großen Baugrößen erhältlich. Daher müsste zunächst die Auslegung und Berechnung einer für den Anwendungsfall passenden Turbine gemacht werden. Expander aus der Kryotechnik eignen sich sehr gut als Vorbild für diese Auslegung. Die dort verwendeten Technologien hinsichtlich Abdichtung und Lagerung der Turbine könnten hilfreich bei der Neuentwicklung sein.
Zusammenfassung
Zum Erzielen von Temperaturen unterhalb 50 °C kann der Joule-Prozess mit Luft als Kältemittel bei Verfügbarkeit von entsprechenden Kompressions- und Expansionsmaschinen einen akzeptablen Ausweg aus den bisher verwendeten F-Gasen darstellen. Simulationen und Versuche an einer entsprechenden Anlage haben gezeigt, dass eine Kaltluftanlage für die Gefriertrocknung eine gute Alternative darstellen kann. Vorausgesetzt, man entwickelt bzw. findet geeignete Expansionsmaschinen.
Zum Erzielen ausreichend großer Kälteleistungszahlen müssen die in den Prozessen eingesetzten Kompressions- und Expansionsmaschinen hohe Gütegrade aufweisen. Da es zurzeit der Untersuchungen insbesondere an kleinen Maschinen mit ausreichenden Gütegraden mangelte, wurden im Rahmen des Forschungsprojektes Spiralmaschinen und Turbomaschinen untersucht. Für die Scrollmaschinen wurde ein Simulationsprogramm entwickelt. Zur Verbesserung und zur Anpassung des Simulationsprogramms wurden Messungen an den Scrollverdichtern und -expandern durchgeführt.
Die Kooperationspartner, Martin Christ Gefriertrocknungsanlagen in Osterode, und Hochschule Karlsruhe, sind weiterhin auf der Suche nach geeigneten Expansionsmaschinen. Hinweise bzw. Interessensbekundungen bitte an die Autoren.
Danksagung
Das Vorhaben Gasprozess zur Kälteerzeugung in der Gefriertrocknung unter Einsatz natürlicher, nicht brennbarer Stoffe; Kälteerzeugung in der Gefriertrocknung unter Einsatz natürlicher Kältemittel“ wurde im Rahmen des Programms Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand“ (ZIM) – Kooperationen, unter Förderkennzeichen: KF2912101 NT1 vom BMWi gefördert. Die Autoren bedanken sich für die gewährte Unterstützung.
Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Kauffeld,
Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft, Karlsruhe
Petra Janickova (M. Sc.),
Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft, jetzt Ipetronik, Baden-Baden
Jens Dieckmann,
Martin Christ Gefriertrocknungsanlagen GmbH, Osterode
Fußnoten
Literatur:
Kauffeld, M.: Untersuchung von Kaltluftprozessen unter besonderer Berücksichtigung kleiner Kompressions- und Expansionsmaschinen. DKV-Forschungsbericht Nr. 39, 1993, ISBN 3-922-429-40-8