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Kältemittel und Kältemaschinen bilden eine technologische Brücke

In eine F-Gase-freie Zukunft

Es ist eine Ironie des Schicksals, dass gerade die Klimaerwärmung zu den positiven Geschäftsaussichten der Kältebranche beiträgt – und die bislang eingesetzten Kältemittel dann einen nennenswerten Anteil an Treibhausgasen freisetzen, die wohl die Klimaerwärmung forcieren ... Ohne das Gegensteuern über die sogenannte F-Gase-Verordnung [1] würden in die Umwelt abgegebene Kältemittel im Jahr 2050 rund 8 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen ausmachen [2]. Das zeigen Berechnungen des Bundesumweltamtes.

Der Hintergrund: Synthetische Kältemittel aus teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffen (HFKW) haben ein vielfach höheres Treibhauspotenzial als natürliches CO2. Bei dem gängigen und nun auslaufenden Kältemittel R410A liegt dieser Wert beispielsweise bei dem rund 2 000-fachen. Diese Relation wird mit dem GWP-Wert (Global Warming Potential) eines Kältemittels ausgedrückt.

GWP runter, SEER rauf

Parallel zur F-Gase-Verordnung (siehe Infokasten) – sie schränkt die Verfügbarkeit klimaschädlicher Kältemittel systematisch ein – steigt im Rahmen der ErP-Richtlinie (Energy related Products-Directive, siehe Infokasten) die Anforderung an die Energieeffizienz von Kaltwasser- und Kälteerzeugern. Hierzu wurden

  • der SEER-Wert (Seasonal Energy Efficiency Ratio) als Bewertungsgrundlage für die Komfortkühlung
    von Räumen und
  • der SEPR-Wert (Seasonal Energy Performance Ratio) zur Erzeugung von Kaltwasser für Industrieprozesse
  • eingeführt.

    All das stellt Planer und Anlagenbauer vor große Herausforderungen. Denn die bisherigen, synthetischen Kältemittel weisen Leistungs- und Prozess-Charakteristiken auf, die alternative Kältemittel mit einem geringen GWP-Wert so nicht bieten. Daher ist der bloße Austausch von Kältemitteln bei gleicher Anlagentechnik nur in seltenen Fällen möglich – und wenn, dann mit erheblichen Einbußen der Kühlleistung. Um Lösungswege zu finden, die bei steigendem Kältebedarf die Geschäftsspielräume der Anlagenbauer nicht limitieren, ist die ganzheitliche Betrachtung der Kältemaschine, des Kältemittels und der Anwendung entscheidend. Systemair hat dazu eigene Forschungs- und Entwicklungsreihen angestoßen, deren Erkenntnisse nun weitergegeben werden, damit Unternehmen weiterhin vom Wachstumsmarkt „Kälte“ profitieren können.

    Bedarfsanalyse für zukunftsfähige Kältetechnik

    In den vergangen Jahren hat Systemair für diesen technologischen Entwicklungsprozess viele Versuchsreihen mit alternativen Kältemitteln und mit unterschiedlichen Verdichtern der namhaften Anbieter durchgeführt. Auf dieser Basis entwickelte der Hersteller von Kaltwassersätzen und Klimageräten dann die eigene Anlagentechnik weiter. Dabei wurden die Entwicklungsziele zielgruppenspezifisch analysiert:

  • Planer fordern kompakte Anlagen: Der Verlust von Kälteleistung durch den Einsatz alternativer Kältemittel sollte möglichst nicht durch eine baulich größere Anlage kompensiert werden.
  • Planer fordern effiziente Anlagen: Der Primärenergiebedarf eines Gebäudes ist zu einem Qualitätskriterium geworden. Außerdem ist die zukünftige ErP-Konformität der Anlagentechnik gerade bei langen Projektlaufzeiten wichtig. Denn Aufwendungen steigen, wenn zwischen Planungsbeginn und Realisierung ausgeschriebene Kaltwassersätze aufgrund verschärfter Effizienzvorgaben vom Markt genommen werden.
  • Planer und Anlagenbauer fordern schwer entflammbare Kältemittel: Alternative Kältemittel mit einem niedrigen GWP weisen in der Regel eine hohe Entflammbarkeit auf. Das bringt zusätzliche Sicherheitsanforderungen für den Aufstellungsort bzw. beschränkt die Einsatzmöglichkeiten.
  • Anlagenbauer fordern Kältemittel mit geringer Toxizität: Alternativen zu Kältemitteln mit hohem GWP-Wert sind häufig toxisch. Mitarbeiter müssen für den Umgang mit solchen Mitteln speziell geschult werden.
  • Anlagenbauer fordern Kältemittel mit geringem Temperaturgleit: Kältemittel mit einem niedrigen GWP-Wert sind vielfach sogenannte zeotrope Kältemittel. Die verschiedenen chemischen Stoffe
    dieser Gemische weisen oft unterschiedliche Normalsiedepunkte auf. Im Vergleich zu Kältemitteln aus einem Stoff resultieren daraus eine höhere mittlere Verdampfungstemperatur sowie eine niedrigere Temperatur des Kältemittels am Austritt des Verflüssigers. Mit anderen Worten: Je höher der Temperaturgleit, umso weniger Kühlleistung.
  • Anlagenbauer und Betreiber fordern eine langfristige Verfügbarkeit des Kältemittels zu stabilen Preisen: Ab dem Jahr 2020 ist es nicht mehr erlaubt, Kältemittel mit einem GWP > 2 500 in Verkehr zu bringen. Der Einsatz solcher Kältemittel aus Recycling ist ab 2030 zumindest bei größeren Anlagen beschränkt. Die Quotierung von GWP-Kontingenten führt allerdings bei Kältemitteln mit hohem GWP jetzt schon zu einer Verknappung und Verteuerung bis zum Fünffachen.
  • Die Forschung und Entwicklung von Systemair hat die zahlreichen empirischen Tests auf diese Bedarfsanalyse hin interpretiert. Zu den Resultaten zählen eine effizienzoptimierte Anlagentechnik sowie eine hohe Beratungsdichte. Damit können Anlagenbauern für den jeweiligen Anwendungsfall die geeignete Kombination aus Anlagentechnik und Kältemittel empfohlen und bereitgestellt werden.

    Technologische Brücke für Großanlagen steht

    Zu den Ergebnissen der Entwicklungsarbeit von Systemair zählen unter anderem die luftgekühlten Kaltwassersätze SyScrew Air EVO CO mit Leistungen von 370 bis 1 250 kW. Die hohe Effizienz gerade im Teillastbereich, die bereits heute die ErP-Vorgaben von 2021 erfüllt, wird durch die Kombination eines Inverter-Schraubenkompressors und eines Fix-Speed-Schraubenkompressor mit drei Leistungsstufen (50 / 75 / 100 Prozent) erzielt. Damit ist die Anlagentechnik besonders wirtschaftlich, denn Verdichter mit fester Drehzahl sind deutlich günstiger als stufenlose Verdichter.

    Gleichzeitig macht eine intelligente Regelung diese Kombination hoch effizient: Im Teillastbereich liefert der Inverter-Kompressor die Kühlleistung. Bei höheren Leistungen wird der Fix-Speed-Kompressor in der nächstliegenden Stufe unterhalb der Leistungsanforderung zugeschaltet. Das Delta zwischen der Leistungsstufe des Kompressors mit festen Drehzahlen und der abgeforderten Kühlleistung schließt der Inverter-Kompressor modulierend. Dadurch wird über den gesamten Leistungsbereich des Kaltwassersatzes eine bedarfsgenaue Regelung erzielt.

    Zum Einsatz kommt hier das Kältemittel R513A. Es weist einen GWP-Wert von 573 auf. So wird das GWP-Kontingent des Anlagenbauers (bzw. auch des Betreibers) deutlich entlastet. Die Microchannel-Technik des Wärmeübertragers trägt außerdem dazu bei, die Füllmenge an Kältemittel deutlich zu reduzieren. Darüber hinaus hat sich in den Versuchen gezeigt, dass R513A gerade beim Einsatz in Schraubenverdichtern ebenso gute Leistungseigenschaften hat wie das sonst übliche Kältemittel R134a mit einem GWP von 1 430. R513A ist zwar im Gegensatz zu dem substituierten R134a ein Gemisch, weist aber dennoch praktisch keinen nennenswerten Temperaturgleit auf.

    Bei Anlagen mit Leistungen über 350 kW entschied sich Systemair aus zwei weiteren Gründen für den Einsatz von R513A, obwohl Kältemittel mit einem noch geringeren GWP-Wert möglich wären: R513A ist nicht toxisch und nicht brennbar (Brandklasse A1). Das vergrößert die Einsatzmöglichkeiten und vereinfacht die Handhabung. Darüber hinaus ist dieses Kältemittel auch langfristig verfügbar: Die Verschärfung der F-Gase-Verordnung sieht für das Jahr 2025 ein Verbot von Kältemitteln mit einem GWP von über 750 nur in A/C-Splitgeräten < 3 kg vor. Hiervon werden Großanlagen mit R513A also nicht betroffen sein.

    Welches Kältemittel in Kaltwassersätzen mit niedrigeren Leistungen < 350 kW in erster Linie das Geeignete ist, lässt sich laut Systemair allerdings nicht pauschal beantworten. Auch hier ein kurzer Blick auf die Auswertungen der Tests des Anlagenherstellers.

    Brücke aus Anlagentechnik und Beratung

    In luftgekühlten Kaltwassersätzen im Leistungsbereich von 20 bis 350 kW arbeiten häufig kompakte Scrollverdichter. Solche Anlagen sind weit verbreitet und werden ebenso zur Heizung und Kühlung mittelgroßer Gebäude eingesetzt wie zur Erzeugung von Prozesskälte in der Industrie oder zum Kühlen von Serverräumen. Nach wie vor wird hierfür bevorzugt das Kältemittel R410A genutzt, da es diese große Bandbreite an Anwendungen am besten abdecken kann: Der Temperaturbereich reicht von −30 °C bis etwa +20 °C. Allerdings weist R410A gleichzeitig ein GWP von 2 088 auf. Deshalb ist eine Umstellung auf ein alternatives Kältemittel dringend geboten.

    Ein Verbot von R410A besteht zwar für bestimmte Anlagengrößen erst ab 2022 bzw. 2025 [3]. Allerdings sind heute schon hohe Preissteigerungen zu verzeichnen. Ein Grund dafür ist, dass es zur Hälfte aus R125 besteht. Dieses Kältemittel hat den sehr hohen GWP von 3 500 und ist damit ein Preistreiber mit sinkender Verfügbarkeit.

    Die Entscheidung für ein alternatives Kältemittel mit niedrigem GWP ist jedoch bei dem breiten Anwendungsspektrum von Kälteleistungen im unteren Leistungsbereich eine Herausforderung. Der Hauptgrund ist: Der Temperaturbereich, in dem der Verdampfungs- und Verflüssigungsprozess abläuft – und der damit die Einsatzmöglichkeiten bestimmt –, ist bei den derzeit verfügbaren Alternativen sehr unterschiedlich. Der Lösungsweg von Systemair ist daher der Bau einer Brücke aus effizienter Anlagentechnik und individueller Beratung, bis der Markt universellere Stoffe und Verdichter zur Verfügung stellt.

    Ein Beispiel für diese „technologische Brücke“ von Systemair sind die luftgekühlten Kaltwassersätze mit Wärmepumpenfunktion Sysaqua. Sie erreichen Kälte- bzw. Heizleistungen von 20 bis 209 kW und erfüllen bereits die Anforderungen der ErP-Richtlinie von 2021. Ein besonders effektives Design des Wärmeüberträgers, die Tandem-Scrollkompressoren sowie ein Ventilator, die jeweils stufenlos regelbar sind, plus eine intelligente Logik sind einige Bausteine, die zu dem effizienten SEER von 4,22 beitragen.

    Zudem sind alle Anlagenkomponenten so ausgeführt, dass unterschiedliche alternative Kältemittel zum Einsatz kommen können. In Versuchsreihen wurden die Prozess­eigenschaften, aber auch die wirtschaftlichen und baulichen Rahmenbedingungen untersucht. Aufgrund dieser Detailkenntnisse ist eine fundierte Beratung durch den Hersteller möglich, welches Kältemittel mit einem niedrigen GWP im Einzelfall optimal ist. Dabei werden folgende Faktoren berücksichtigt:

  • Effizienz und Temperatureinsatzgrenzen im Heizfall,
  • Effizienz und Temperatureinsatzgrenzen im Kühlfall,
  • langfristige Verfügbarkeit,
  • Preisentwicklung,
  • Entflammbarkeit mit Blick auf den geplanten Aufstellort sowie
  • Toxizität mit Blick auf den Einsatzzweck.
  • Fazit

    Das ideale Universalkältemittel gab es noch nie. Die F-Gase-Verordnung mit der rigorosen Beschneidung klimaschädlicher Stoffe hat jedoch eine Fülle an Alternativen und Gemischen auf den Markt gebracht, die es Planern und Anlagenbauern erschweren, Kühlsysteme leistungsgerecht und wirtschaftlich zugleich auszulegen. Hier ist die eingehende Beratung der Hersteller von Klimaanlagen und -geräten zu einem frühen Zeitpunkt der Planungsphase eine wichtige Hilfestellung.

    [1] Verordnung (EU) Nr. 517/2014 vom 16. April 2014 über fluorierte Treibhausgase

    [2] „Fluorierte Treibhausgase und FCKW“; umweltbundesamt.de

    [3] Verordnung (EU) Nr. 517/2014 vom 16. April 2014 über fluorierte Treibhausgase; Anhang III; Nr. 13; Nr. 15

    Das Prinzip der F-Gase-Verordnung

    Die F-Gase-Verordnung sieht nicht das Verbot bestimmter Kältemittel vor, sondern die schrittweise Reduzierung des GWP-Wertes in Summe aller jährlich neu in Verkehr gebrachten Kältemittel. Als Referenz dient die GWP-Marke aus dem Jahresdurchschnitt der von 2009 bis 2012 in der EU gehandelten Gesamtmenge F-Gase-haltiger Kältemittel. Herstellern und Händlern von Kältemitteln sowie Anlagenbauern steht nun eine definierte, schrittweise sinkende GWP-Quote zur Verfügung. Ab 2020 werden außerdem Kälteanlagen in Abhängigkeit der Leistung mit einer GWP-Obergrenze des enthaltenen Kältemittels belegt.

    Das Prinzip der ErP-Richtlinie

    Die ErP-Richtlinie sieht die Einteilung von Geräten in produktspezifische Energieeffizienzklassen vor. Schrittweise werden Produkte der unteren Effizienzklassen vom Markt genommen. Die Wirkungsgrade von Kaltwasser- und Kälteerzeugern werden unter anderem in den Werten SEER (Seasonal Energy ­Efficiency ­Ratio) für die Raumkühlung und SEPR (­Seasonal Energy Performance Ratio) für die Prozesskühlung in der Industrie ausgedrückt.
    Beide Berechnungen haben gemeinsam, dass sie die realen Betriebsbedingungen am Standort über das Jahr hinweg abbilden – also die Effizienz des Kaltwassersatzes im überwiegenden Teillastbereich bewerten. Seit 2018 müssen beispielsweise luftgekühlte Kaltwassersätze > 400 kW einen SEER von 4,1 erreichen (entspricht der Effizienzklasse C) und ab 2021 einen SEER von 4,6 (entspricht der Effizienzklasse A).

    Silas Jäger,
    Produktmanager für Kältesysteme bei der Systemair GmbH, Boxberg.
    Systemair / Jäger

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