Zum physikalischen Hintergrund
Das Verfahren, welches wir hier beleuchten wollen, beruht auf dem natürlichen Phänomen, dass am Tripelpunkt von Wasser die Aggregatzustände fest, flüssig und gasförmig gleichzeitig vorliegen (Bild 1).
Durch die Verdampfung einzelner Wassermoleküle an der Wasseroberfläche wird der umgebenden Flüssigkeit fast 8-mal mehr Energie entzogen als es zum Vereisen benötigt. Da die Verdampfung bei etwa –0,5 °C im Bereich des Tripelpunktes im Vakuum erfolgt, gefrieren andere Wassermoleküle und bilden Eispartikel. Zur technischen Nutzung dieses Phänomens muss der Wasserdampf mit einem Verdichter aus dem Eiserzeuger abgesogen werden (Bild 2), wie es auch bei anderen Kältemaschinen (hier: Wasserdampf) zur herkömmlichen Kälteerzeugung erfolgt.
Aus dem Leben
Mancher hat das Wirkprinzip der Technologie auch schon am eigenen Leib erlebt. Wenn man sich im Sommer am Strand mit der nassen Badehose einen Schnupfen holt, lag es daran das das Wasser in der Badehose verdunstete – und die Verdampfung der Flüssigkeit die dafür nötige Energie aus der direkten Körperumgebung nahm. Die Sonne und die Luft liefern dafür nur den deutlich kleineren Anteil.
Zum Erfinder der Technologie
Diese Technologie ist am Institut für Luft- und Kältetechnik Dresden (ILK) gGmbH als Alternative zu herkömmlichen Kältemaschinen entwickelt und mit dem Deutschen Kältepreis 2016 ausgezeichnet wurden. Das Institut verfügt über eine jahrzehntelange Erfahrung in der Entwicklung spezieller Turboverdichter für diese Einsatzbedingungen und konnte deren zuverlässigen Betrieb in zahlreichen Anlagen in den verschiedensten Anwendungen nachweisen. Neben der direkten Nutzung von Wasser als Kältemittel in R 718-Turbo-Kaltwassersätzen mit einer Leistungsgröße bis zu 1 MW werden derartige Verdichter auch in mechanischen Brüden-Kompressionsanlagen zur Meerwasserentsalzung eingesetzt.
Die Anwendungen
• Umweltrelevanz und Effizienz
Das so entstehende Flüssigeis wird ohne Wärmeübertrager und ohne chemische Substanzen hergestellt und ist somit effizienter und vor allem deutlich umweltfreundlicher als herkömmliche Kälteanlagen. Fast alle bisherigen Kälteanlagen stellen die benötigte Kühlung nur in dem Moment zur Verfügung, in dem sie benötigt wird.
• Kälte als Regelenergie
Ganz anders ist es bei der Vakuum-Flüssigeis-Technologie, in der der elektrische Aufwand dann erfolgen kann, wenn Strom (zum Beispiel aus Sonne und Wind) zu viel zur Verfügung steht, um die Kälte später bei Bedarf zu nutzen. Die Solaranlage auf dem Theaterdach produziert über Ihren Stromertrag dann am Tag die Kälte, um sie am Abend zur Klimatisierung zu verwenden (Bild 3a+b).
• Bis zu 7-fach höhere Kühlkapazität pro m³
In diesem Prozess wird durch den Phasenwechsel von Wasser eine erhebliche Verbesserung der Kühlkapazität pro m³ erreicht. Das flüssige Eis (0 °C mit 50 Prozent Eisanteil) speichert siebenmal besser als die mit üblichen Kaltwassersätzen (6 °C/12 °C) gekoppelten Kaltwasserspeicher, wodurch wesentlich mehr Kälteenergie im gleichen Volumen vorgehalten werden kann.
• Vorbild Altvordere
Im Sommer mit Eis zu kühlen ist schon viele Jahrhunderte alt. Bierbrauer nutzten im Winter im See geschnittenes Eis um im Sommer ihr Bier zu kühlen, indem Sie es in gut geschützten Höhlen einlagerten.
• Flüssigeis zum Kältetransport
Die geringe Energiedichte bei üblichen Kaltwassernetzen (bei 6/12 °C ca. 7 kWh/m³) führt zu großen Volumenströmen, großen Rohrquerschnitten und signifikantem Pumpaufwand. Bis zu einem Eisanteil von ca. 25 Prozent kann Flüssigeis bei vergleichbarem Druckverlust problemlos zugemischt und gepumpt werden. Die Energiedichte steigt dabei um 500 Prozent! Entsprechend sinken Rohrquerschnitt und Pumpaufwand.
• Zentrale Kälteerzeugung schafft zentrale Abwärme
Die Abwärme aus vielen kleinen Kältemaschinen kennt keinen Nutzen. Mit der Bündelung durch Kältenetze entsteht eine zentrale Einheit, dessen Abwärme sinnvoll zur Bereitstellung von Warmwasser, Heizung oder anderen niedertemperaturigen Prozessen nutzbar gemacht wird.
Heizen mit Flüssigeis
Diese bisher beschriebenen Eigenschaften lassen sich in vielen heute noch wenig oder gar nicht genutzten Energieversorgungslösungen hervorragend anwenden. So kann auf sehr umweltverträgliche Art auch Seewasser, Flusswasser oder das Wasser aus Talsperren als Wärmequelle für die Anrainer zur Verfügung gestellt werden – zumal alle Gewässer in Deutschland durch die Klimaerwärmung schon ein Grad wärmer wurden (Bild 4).
Am Beispiel vom Zwenkauer See mit seinem 0,176 km³ Wasservolumen entspricht das immerhin ca. 200 GWh pro Kelvin, was dem See bei einem Grad Celsius Abkühlung entnommen würde.
Beim Vakuumeis-Verfahren kann der Wärmeentzug sowohl durch die Abkühlung des Wassers als auch durch ein teilweises Einfrieren erfolgen. Dieser maßgebliche Vorteil erlaubt eine ganzjährige Nutzung des Wassers als Wärmequelle, also auch bei niedrigen Wassertemperaturen bis zum Gefrierpunkt!
Auch hier kommt wieder der Einfluss der großen Schmelzwärme zum Tragen. Erfolgt der Wärmeentzug durch eine Teilvereisung wird auch der notwendige Volumenstrom reduziert, der aus dem Gewässer entnommen und nach Wärmeentzug wieder eingeleitet wird. Folgendes Zahlenbeispiel soll dies verdeutlichen:
Vorbild Schweiz
Anders als in Deutschland, wo Seewasserwärmepumpen noch überhaupt keine Rolle spielen, wird die Wärmeversorgung über Großwärmepumpen aus Seewasser in der Schweiz schon über sechs Jahrzehnte erfolgreich betrieben (Bild 5).
Doppelter Nutzen
Da der Wärmetransport auf dem Temperaturniveau des Seewassers erfolgt und der Rücklauf zum See mit 0 °C, kennt diese Art keine thermischen Verluste. Die Transportkapazität ist zweimal höher als in einem herkömmlichen Fernwärmerohr mit 90 °C im Vor- und 70 °C im Rücklauf, was auch den elektrischen Aufwand in Grenzen hält (Bild 6+7).
Sollte der Rücklauf durch ein Gewerbegebiet, ein Hotel- oder Kongresszentrum verlaufen, kann dort die Kühlung „nebenbei“ erfolgen und muss nicht erst im See wieder regeneriert werden.
Neues Geschäftsfeld für Energieversorger
Diesen doppelten Nutzen sollten sich Energieversorger einmal ruhig überlegen: Die Abwärme aus der verkauften Kühlung, dem Nachbarn als Wärmequelle zu verkaufen ist umweltfreundlich und nützlich für alle Beteiligten (Bild 8).
Synergieeffekte
Aussichten
Mit der Vakuum-Flüssigeis-Technologie werden heute ungenutzte Wärmequellen nutzbar, die einen erheblichen Anteil an der Wärmeversorgung unseres Landes ohne Öl, Gas und Kohle übernehmen können. Der Doppelnutzen von Wärme und Kälte gibt beiden Sektoren erhebliche Effizienzgewinne, was heute unter Ressourceneffizienz diskutiert wird. Wasser als unbegrenzt verfügbares Medium hat keinerlei bekannte Risiken und Nebenwirkungen. Es wird nicht verbraucht – es wird genutzt – seit über 5000 Jahren.