Ab Ende 2023 soll Kälte vom Energiestandort Süd in München-Sendling durch die Isarvorstadt und Ludwigsvorstadt in die Innenstadt strömen. Die dort vorhandene Wärme aus Geothermie und Kraft-Wärme-Kopplung wird auch zur Fernkälteerzeugung mitgenutzt.
Durch die neue Fernkältezentrale in München sollen künftig mehr gewerbliche Abnehmer wie Hotels, Bürogebäude und Einzelhandels-Immobilien klimatisiert werden – und zwar nachhaltig. Fernkälte funktioniert ähnlich wie Fernwärme: Auch hier wird ein Rohrleitungssystem genutzt, um thermische Energie über Wärmeübertrager in die Gebäude zu transportieren. Vom Energiestandort Süd in München-Sendling aus soll Wasser mit Temperaturen von 6 bis 10 Grad Celsius in das Fernkältenetz eingespeist werden. In den angeschlossenen Gebäuden nimmt der Wärmeübertrager die Energie aus der Gebäudeklimatisierung auf. Das erwärmte Wasser fließt im geschlossenen Kreislauf an den Energiestandort Süd zurück, wird wieder abgekühlt und erneut in den zu kühlenden Gebäuden eingesetzt.
„Fernkälte ist eine innovative und energieeffiziente Klimatisierungslösung und damit ein Baustein, um die Energiewende voranzutreiben und die europäischen Energie- und Klimaziele zu erreichen“, sagt Thomas Schulz, Group CEO von Bilfinger.
Die österreichische Bilfinger-Einheit Bilfinger Industrial Services GmbH verantwortet für das Fernkälte-Projekt in München-Sendling unter anderem die Planung und Installation der komplexen Anlagenausrüstung, das zahlreiche Pumpen, Armaturen und Wärmeübertrager umfasst. Bei den Arbeiten sind rund 50 Mitarbeiter vor Ort im Einsatz, um insgesamt acht Kilometer Rohrleitungen zu montieren und zu verschweißen. Ferner wird das Team den Kunden SWM bei der Inbetriebnahme unterstützen. Im Endausbau wird am Energiestandort Süd Kühlenergie von 36 Megawatt erzeugt – das entspricht etwa dem Kühlungsbedarf von 100 Bürogebäuden. Der Ausbau des Münchner Fernkältenetzes macht die neue Fernkältezentrale zur größten in Europa.
Im Vergleich zur Kühlung über dezentrale, konventionelle Hausklimaanlagen spart Fernkälte bis zu 70 Prozent des Stromverbrauchs und reduziert auch die CO2-Emissionen entsprechend. Zudem ist Fernkälte ökologisch und nachhaltig, wenn die natürliche Kälte von Grundwasser oder Flüssen genutzt werden kann. Das ist in München-Sendling der Fall: Die neu entstehende Kältezentrale nutzt unter anderem das kühle Wasser des Isarwerkkanals, um die Fernkälte zu erzeugen. Da es sich um ein geschlossenes System handelt, gibt es keinen unmittelbaren Eingriff in die Wasserökologie.
Bereits zuvor hatten die SWM auf die Dienste von Bilfinger Industrial Services vertraut, um am Energiestandort Süd mit einer neuen Geothermieanlage - der bislang größten in Deutschland - die Versorgung von 80.000 Münchnerinnen und Münchnern mit umweltfreundlicher Fernwärme zu realisieren. Dabei wird 90 bis 110 Grad Celsius heißes Thermalwasser aus dem Münchner Untergrund zur Wärmeversorgung genutzt. Bilfinger war bei dieser Geothermieanlage, die Ende 2021 in den Probebetrieb ging, unter anderem für den Rohrleitungsbau sowie die Installation der Wärmeübertrager verantwortlich.
„Neben der Fernwärme ist auch die Fernkälte ein wichtiger Faktor für die CO2-neutrale Energieversorgung unserer Stadt. Der Umweltnutzen dieses Kühlsystems ist hoch: Weil die Kälte zentral erzeugt wird und obendrein der Stadtbach als Kühlmittel aushilft, werden wertvolle Ressourcen geschont. Der Anlagenbau erfordert hohe technische Expertise. Bei unseren Großprojekten setzen wir auch auf die Unterstützung erfahrener Dienstleister wie Bilfinger“, sagt Helge-Uve Braun, Technischer Geschäftsführer der Stadtwerke München GmbH.
Das neue Fernkälte-Projekt in München hat auch zahlreiche positive städtebauliche Auswirkungen. Durch die zentrale Fernkälteversorgung werden weitere Kühlaggregate auf Dächern der Innenstadt vermieden. Zudem verbessert sich das innenstädtische Mikroklima, da Fernkälte im Gegensatz zu dezentralen Hausklimaanlagen ohne die Emission von Abwärme in die im Sommer ohnehin aufgeheizte Innenstadt auskommt. Fernkälte trägt dazu bei, der Gesamterwärmung Münchens entgegenzuwirken und den wachsenden Kältebedarf in der Großstadt umweltschonend zu decken.