Der traditionsreiche Anbieter von Ein- und Mehrfamilienhäusern in individueller Fertigbauweise bietet seinen Kunden serienmäßig den Plusenergiehaus-Standard an. Dem sollte die neue Firmenzentrale, genannt Kampa K8“, in Sichtweite der Autobahn A7 in nichts nachstehen. Zudem dient der achtgeschossige Bau als Prototyp für ein klimaneutrales und kosteneffizientes Bürogebäude. Und das in Holzbauweise bis an die Hochhausgrenze von 22 m. Auf einem Kellergeschoss aus Beton stapeln sich sieben Geschosse, deren Tragwerk in einer Mischung aus Holzskelett- und Holzmassivbau entwickelt wurde. Auch die Treppenhäuser und Aufzugsschächte sind aus Holz, teilweise aus Brandschutzgründen mit Gipskartonplatten verkleidet. Dank einer integralen 3D-CAD-Planung aller Gewerke sowie der vollständigen, industrialisierten und computergesteuerten Vorfertigung im eigenen Werk konnte das Gebäude mit 3 386 m2 Bruttogrundfläche und 3 052 m2 Nutzfläche in neun Monaten errichtet werden.Die Inbetriebnahme des für Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Bürozwecke genutzten Gebäudes erfolgte im Dezember 2014.
Um das selbstgewählte Ziel eines Plus-Energiegebäudes mit weitestgehender Selbstversorgung zu erreichen, ist die Gebäudehülle im Passivhausstandard errichtet. Unter anderem eine hochwärmedämmende Vorhangfassade und die komplett vorgefertigten, raumhohen Glaselemente mit drei Scheiben senken den Endenergiebedarf auf 15,1 kWh/m2a. Der Primärenergiebedarf liegt bei 40 Prozent des Referenzgebäudes und entspricht so dem in höchster Stufe förderfähigen Effizienzhaus 40-Standard der Kreditanstalt für Wiederaufbau.
Eine effiziente Haustechnik mit kompletter LED-Beleuchtung, eine intelligente Gebäudekommunikation und Haustechniksteuerung sowie eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sind weitere Elemente des Energiekonzeptes. Die nach Westen orientierte Glasfassade gewährleistet hohe passive Solargewinne, ist im Sommer allerdings auch für entsprechende Wärmeeinträge verantwortlich. Diese werden durch automatisch gesteuerte Verschattungselemente reduziert. Gemeinsam mit der Licht- und Bürotechnik sowie weiteren Kühllasten verbleibt dennoch ein erheblicher Kühlbedarf.
Eis-Energiespeicher mit Doppelfunktion
Hier kommen die Vorteile des Eis-Energiespeichers zum Tragen. Im Fall des Kampa K8 handelt es sich um einen individuell geplanten zylindrischen Betonbehälter mit einem Durchmesser von 12,5 m und einer Höhe von 6 m. Als Wärmeübertrager sind im Speicher Kunststoffrohre installiert. Insgesamt stehen 685 m3 Wasser als Speichermasse zur Verfügung. Als Latentwärmespeicher stellt der Eis-Energiespeicher den drei als Kaskade installierten Wärmepumpen Viessmann Vitocal 300-G Pro (Leistung 2 x 45 kW, 1 x 29 kW) in der Heizperiode nicht nur Umweltwärme, sondern im Sommer auch nahezu kostenfreie Kalte für das Gebäude zur Verfugung. Die Energiequelle Außenluft wird durch insgesamt 185 m2 Solar-/Luftabsorber erschlossen, die senkrecht stehend, platzsparend im Bereich der Tiefgaragenzufahrt des K8 installiert sind. Im Gegensatz zu üblichen Solarkollektoren nutzen sie die Umweltwärme aus der Umgebungsluft auch nachts, da das Konzept des Eisspeichers die Wärmenutzung auf niedrigem Temperaturniveau (bis ca. 20 °C) vorsieht.
Da die Wärmepumpen in der Heizperiode dem Wasser des Speichers so lange Energie entziehen bis es gefriert, steht zusätzlich zur Wärme des Wassers die kostenlose Kristallisationsenergie zur Verfügung (siehe Kasten). Dieser Prozess lässt sich im Prinzip mehrfach wiederholen, da die Wärme des umgebenden Erdreichs, die Wärme aus Solar-Luftabsorbern und die Abwärme aus der Lüftungsanlage das Eis wieder auftauen können. Der Boostereffekt“ des gefrierenden Eises steht also je nach Witterungsverlauf mehrfach pro Jahr zur Verfügung. Am Ende der Heizperiode wird der Speicher gezielt vereist, indem die Regeneration abgeschaltet wird. So steht im Sommer die Kälte des Eises als eine von drei Kühlmöglichkeiten zur Verfügung. In der Regel erfolgt die Vereisung bis zu 90 Prozent des Speichervolumens, damit für die Regeneration des Speichers ausreichend Platz für eine schwerkraftbedingte Strömung bleibt.
Beachtliche Kühlkapazität
Die erste Option der Kühlung erfolgt im Fall des Kampa K8 über die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Diese ist sowohl mit einem Heiz- als auch einem Kühlregister ausgestattet, die über die Wärmepumpen mit Wärme beziehungsweise Kälte versorgt werden. Im Sommer wird die angesaugte Frischluft entsprechend gekühlt. Die durchschnittliche Luftwechselrate beträgt n = 2/h, was einem Luftvolumen von 13 500 m3 pro Stunde entspricht. Der Grad der Wärmerückgewinnung liegt bei 75 Prozent.
Die beiden weiteren Kühloptionen nutzen den Eisspeicher und die in die Decken integrierten Kühl-/Heizelemente. Das natural cooling (nc) nutzt über einen Wärmeübertrager direkt das aktiv aufgebaute Eis des Eisspeichers als Kältequelle. Das Eis wird dementsprechend abgebaut.
Die dritte Option ist das active cooling (ac). Sie kommt zum Einsatz, wenn das Eis aufgetaut ist. Hierzu wird die Wärme über die Deckenkühlelemente und die Wärmepumpen entweder über die Solar-/Luftabsorber an die Umgebung oder in den Speicher abgeführt. Insgesamt ist die Energiekapazität des Eisspeichers beachtlich: Wird das Wasser von 20 °C auf 0 °C abgekühlt, stehen 16 000 kWh zur Verfügung. Bei einer Vereisung zu 90 Prozent stehen durch den Kristallisationseffekt noch einmal 57 000 kWh zur Verfügung, insgesamt also 73 000 kWh. Dies gilt sowohl für die Heiz- wie die Kühlfunktion des Speichers.
Der Eis-Energiespeicher passt als Herzstück einer komplett regenerativen Energieversorgung perfekt in unser Konzept“, sagt Josef Haas, Geschäftsführer von Kampa. Der physikalische Effekt der Kristallisationsenergie führt dazu, dass beim Wechsel zwischen festem Eis und flüssigem Wasser große Mengen Energie aufgenommen und auch wieder abgegeben werden können. Diese Speicherwirkung hat bei einem hocheffizienten Gebäude wie unserem Bauinnovationszentrum einen entscheidenden Einfluss auf die Gesamtbilanz. Zudem ist diese Technologie weitgehend wartungsfrei, aus unserer Sicht ebenfalls ein ganz wichtiger Aspekt.“
Alle Installationen zur Haustechnik, dementsprechend auch die Lüftungs- und Heiz-/Kühlelemente sind in den im Werk komplett mit TGA-Bauteilen bestückten Deckensegeln in Holzbauweise montiert, die bei der Montage des K8 in die Skelettkonstruktion eingehängt wurden. Auch hier gewährleistet ein hoher Vorfertigungsgrad ein Qualitätsniveau nach industriellen Maßstäben. Die mit Akustikelementen abgedeckten Installationen in den Deckensegeln sind nach der Fertigstellung des Gebäudes leicht zugänglich.
Heizen, kühlen … und fahren
Den Strom für die Wärmepumpen, alle anderen haustechnischen Komponenten, die Beleuchtung und die Büronutzung liefert eine Photovoltaikanlage, die auf dem Dach des K8 installiert ist. Mit einer Leistung von 60 kWp erzeugt die Anlage je nach Einstrahlungsmenge circa 60 000 kWh Sonnenstrom pro Jahr. Der Ertrag übersteigt den Verbrauch für die Wärmepumpe (ca. 5 500 kWh/a), die Haustechnik sowie den Betriebsstrom deutlich, sodass für die kleine Flotte der firmeneigenen Elektroautos als auch für Elektromobile der Kundschaft Strom zur Verfügung steht. Überschüsse werden ins Netz eingespeist. Ein hoher energetischer Autarkiegrad bei hohem Raumkomfort und eine nachhaltige Produktion nach industriellen Maßstäben war das Ziel bei der Projektierung des K8.
Auf dem Weg zu den von der EU geforderten Niedrigemissionsgebäuden ist das Kampa K8 im Segment des Geschosswohnungsbaus und der Bürogebäude ein herausragender Meilenstein“, betont Heiko Lüdemann, Geschäftsführer der Viessmann Eis-Energiespeicher GmbH. Der Eis-Energiespeicher ist mit seiner dualen Anwendung als erneuerbarer Wärmelieferant im Winter und als Kältespender im Sommer eine wichtige Komponente für den Bau wirklich nachhaltiger und gleichzeitig komfortabler Gebäude.“
Funktionsweise des Eis-Energiespeichers
Ein Eis-Energiespeicher-System arbeitet nach einem einfachen Prinzip: Die aus Sonne, Luft und Erdreich gewonnene Energie wird auf niedrigem Temperaturniveau in einen unterirdischen Betonbehälter – den Eisspeicher – eingespeist. Dank des Speichermediums Wasser ist das System ökologisch unbedenklich und überall, auch in Wasserschutzgebieten oder Zonen mit Bohrverboten für Erdsonden, einsetzbar. Eine Sole-/Wasser-Wärmepumpe versorgt das Gebäude mit Wärme und Kälte. Die dafür benötigte Energie entnimmt die Wärmepumpe entweder aus dem Eisspeicher oder direkt aus speziellen Solar-Luftabsorbern. Ein Alleinstellungsmerkmal im Bereich der erneuerbaren Energien und wesentlich für die besondere Wirtschaftlichkeit des Systems ist die Nutzung des physikalisches Prinzips der Kristallisationsenergie, die im Phasenübergang von 0 °C kaltem Wasser zu 0 °C kaltem Eis freigesetzt wird. Der Energiegehalt von Wasser ist begrenzt und liegt bei 1,163 Wh/kg Wasser. Wird also ein Liter Wasser um 1 Kelvin abgekühlt, werden 1,163 Wh Energie frei. Die Wärmepumpe entzieht dem Wasser im Speicher nach und nach diese Wärmeenergie und kühlt es bis auf 0 °C ab. Wird weiter Wärme entzogen, fängt das Wasser an zu gefrieren. Dieser Wechsel von Wasser zu Eis bringt einen weiteren Energiegewinn. Die Temperatur bleibt zwar konstant bei 0 °C, doch es werden weitere 93 Wh/kg Kristallisationsenergie frei, die von der Wärmepumpe genutzt werden können. Das ist die gleiche Energiemenge die frei wird, wenn ein Liter Wasser von 80 °C auf 0 °C abgekühlt wird. Das Eis bildet sich gleichmäßig rund um die Kunststoffrohre des Wärmeübertragers. Die Eisschicht behindert zwar die Wärmeaufnahme, da sich durch das Eis aber die Oberfläche vergrößert, bleibt die Leistung gleich. Durch den gezielten Wechsel aus Wärmeentzug und Regeneration kann der Gefrierprozess innerhalb einer Heizperiode mehrmals wiederholt werden, wodurch die Kristallisationsenergie nahezu unbegrenzt zur Verfügung steht. Am Ende der Heizperiode steht das thermische Abfallprodukt“ Eis kostenfrei zur Gebäudekühlung zur Verfügung. Im Vergleich zu konventionellen Kühlkonzepten können die Kosten für die Bereitstellung von Kühlenergie um bis zu 99 Prozent reduziert werden. Warum Energie nichts kostet und wie der Eis-Energiespeicher als Wärmemanager fungiert, erklärt Bernd Schwarzfeld, Geschäftsführer des Hamburger Planungsbüros BZE-Ökoplan hier.
Weitere Referenzen des Eis-Energiespeichersystems in der Wohnungswirtschaft, Firmengebäuden und öffentlichen Einrichtungen finden sich hier.