Aber gerade die Kältebranche steht aufgrund der Umweltdiskussion und der damit zusammenhängenden F-Gase-Verordnung unter großem Veränderungsdruck. Viele der bisher eingesetzten Kältemittel werden verboten oder deren Mengen reduziert, sodass neue Produkte und Technologien zur Anwendung kommen müssen. Die vermehrt diskutierten sogenannten natürlichen Kältemittel wie Ammoniak, Kohlendioxid oder Propan sind aufgrund ihrer toxischen bzw. drucktechnischen Eigenschaften sowie der extremen Entzündlichkeit nicht in jedem Fall anwendbar. Darüber hinaus spielen wirtschaftliche Aspekte und nicht zuletzt die Energieeffizienz eine entscheidende Rolle.
Die Problemstellung
Fritz Kälte-Technik in Cuxhaven erhielt von einem Gastronomiebetrieb den Auftrag, für die Kücheneinrichtung eine sichere und effiziente kältetechnische Lösung zu entwickeln, die langfristig in einem Unternehmen, das mit offenen Flammen arbeitet, zum Einsatz kommen kann. Das Konzept sollte für Waren zur Frischhaltung mit mehreren Kühlstellen im Plusbereich ausgerichtet sein, aber auch für Tiefkühlkost.
Noch vor kurzer Zeit wurden standardmäßig die Kältemittel R134a (GWP: 1430; das heißt Global Warming Potential, also direktes Treibhauspotenzial) für den Plusbereich und R404A (GWP: 3922) für die Tiefkühlanwendung in getrennten Systemen eingesetzt. Diese Kältemittel bieten allerdings mittlerweile keine langfristigen Perspektiven mehr. Für das Kältemittel R134a gibt es bereits nicht brennbare Alternativen – wie R450A oder R513A mit über 50 Prozent geringeren Treibhauspotenzialen. Für
diese Stoffe ist auch bereits eine breite Palette an Komponenten verfügbar.
Ein größeres Problem stellte der Ersatz des Kältemittels R404A für das Tiefkühlsegment dar. Dieses Kältemittel ist in neuen Anlagen aufgrund der F-Gase-Verordnung seit 2020 verboten. Auch für Wartung und Reparatur ist die Verfügbarkeit von aufgearbeitetem Material im Falle einer Störung nicht gesichert. Zwar gibt es auch hier seit 2015 Ersatzkältemittel (R449A), die von Fritz Kälte-Technik seit damals nur noch für Neuanlagen verwendet wurden, aber der GWP dieses Kältemittels beträgt immer noch über 1000.
Firmenintern hat Fritz Kälte-Technik festgelegt, soweit möglich keine Kälteanlagen mehr mit einem GWP über 750 zu bauen.
Die Kältemittel Propan (R290) und Propen (R1270) wurden diskutiert, allerdings wegen des größeren Risikos der Explosivität, der niedrigen Zündgrenzen und Zündtemperaturen für den Küchenbetrieb wieder verworfen. Auch mit Ammoniak (R717) und Kohlendioxid (R744) sind Anlagen in der hier benötigten Größenordnung nicht umsetzbar.
Die Lösung
Das Team aus Firmeninhaber Leif-Arne Tegt und seinem Betriebsleiter Tim Oberländer, beide Kälteanlagenbauermeister, suchte nach einer sicheren und wirtschaftlichen Lösung, die auch den gestiegenen Umweltanforderungen gerecht wird. Für den Plusbereich war diese relativ schnell gefunden. Aufgrund der vergleichsweise hohen Kältemittelfüllmenge und um zusätzliche Sicherheitseinrichtungen zu vermeiden, kam eine brennbare Alternative nicht infrage. Man entschied sich für das Kältemittel R513A (Opteon XP10, GWP: 631) des Herstellers Chemours. Hiermit hatte Fritz Kälte-Technik schon im Vorfeld positive Erfahrungen gemacht, und dieses avancierte kurz nach Verfügbarkeit zum Standard-Kältemittel des Unternehmens. Dies war in der thermodynamischen Ähnlichkeit zu dem vorher eingesetzten R134a begründet, sodass kostengünstige Komponenten und die entsprechenden Zulassungen dafür verfügbar waren. Zum anderen ist wegen der Nichtbrennbarkeit der sichere Betrieb im gastronomischen Umfeld gewährleistet.
Schwieriger gestaltete sich die Entscheidung beim Tiefkühlsystem. Es war schnell klar, dass für das früher eingesetzte R404A nur ein brennbarer Ersatzstoff infrage kam. Beim Einsatz eines brennbaren Kältemittels ist die Prüfung, welche Füllmengen für die veranschlagten Leistungen notwendig sind von enormer Bedeutung. Dies ist vor allem Grundlage für die anstehende Risikobewertung. Um die Füllmengen so weit wie möglich zu reduzieren, wurde ein vorher favorisierter einstufiger Kältebetrieb schnell verworfen. Die Überlegung: Könnte die Verflüssigung des damals noch nicht festgelegten Kältemittels für die Tiefkühlung an der sowieso vorhandenen Pluskühlanlage realisiert werden? Abgesehen von der bereits angesprochenen geringeren Füllmenge hatte diese Idee noch weitere positive Effekte: Neben dem zusätzlich benötigten Verdampfer-Verflüssiger (Verdampfer der Pluskühlung und gleichzeitig Verflüssiger der Tiefkühlung) kamen nur noch die Regeleinrichtungen dazu. Andererseits wurde der Anlagenverflüssiger für die Tiefkühlung und Rohrleitungsmontagen eingespart. Damit konnten die Mehrkosten in Grenzen gehalten werden. Weiterhin erreichte man mit dem deutlich geringeren Druckverhältnis eine Unabhängigkeit von den zu erwartenden Druckgastemperaturen und eine größere Energieeffizienz über das gesamte System.
Aus der Fülle, der von den Kältemittelherstellern angebotenen Kältemittel, fiel schließlich die Wahl auf das Produkt R454C, das vom Hersteller Chemours unter dem Handelsnamen OpteonTM XL20 geführt wird. Dieses Kältemittel besitzt einen beherrschbaren Temperaturgleit während des Phasenwechsels und ist in Auslegungsprogrammen bereits gelistet. Was die Brennbarkeit betrifft, gilt dieses Kältemittel als schwer entflammbar. In den kältetechnischen Standards ist es in der Sicherheitsgruppe A2L verzeichnet. Die Anwesenheit einer wirksamen Zündquelle im Falle einer Undichtigkeit im System konnte ausgeschlossen werden. Ein darüber hinaus entscheidendes Kriterium waren allerdings auch die geringen Umweltauswirkungen. Mit einem GWP von unter 150 wurde im Vergleich zu R404A eine um 96 Prozent niedrigere Umweltbelastung erreicht.
Die Beispielrechnung
Früheres System:
NK-Verbund, 4x TK-Schrank, Aggregate vollhermetisch, einstufig verdichtend
1x NK
T0=-10°C / TC=+35°C; Q0=6 kW; Pe=1,78 kW; QC=7,78 kW; Lz: 16 h
R134a-Füllung: 6 kg; GWP: 1430 CO2-Äquivalent: 8,58 to. CO2
4x TK
T0=-35°C / TC=+35°C; Q0=0,56 kW; Pe=0,36 kW; QC=0,92 kW; Lz: 18h; R404A-Füllung: 0,35 kg; GWP: 3922 CO2-Äquivalent: 1,3727 to. CO2
Gesamt-GWP: 8,58 to. CO2 + 4x 1,3727 to. CO2 = 14,0708 to. CO2
Energieverbrauchs-Abschätzung einfach:
16 h x 1,78 kW + 4 x 18 h x 0,36 kW = 54,4 kWh
Neues System (Kaskade):
NK-Verbund, 4x TK-Schrank, Aggregate vollhermetisch, einstufig verdichtend
1x NK
T0=-10°C / TC=+35°C; Q0= 6 kW + 4 x 0,72 kW=8,88 kW; Pe=2,68 kW;
QC=11,57 kW; Lz: 16 h R-513A-Füllung: 10 kg; GWP: 631 CO2-Äquivalent: 6,31 to. CO2
4x TK
T0=-35°C / TC=+5°C; Q0=0,56 kW; Pe=0,16 kW; QC=0,72 kW; Lz: 18 h; R-454C-Füllung: 0,45 kg; GWP: 148 CO2-Äquivalent: 0,0666 to. CO2
Gesamt-GWP: 6,31 to. CO2 + 4 x 0,0666 to. CO2 = 6,5764 to. CO2
Energieverbrauchs-Abschätzung einfach:
16 h x 2,68 kW + 4 x 18 h x 0,16 kW = 54,4 kWh
Heizpotenzial (theoretisch):
16 h x 11,57 kW + 4 x 18 h x 0,72 kW = 236,96 kWh/d
Durch Verwendung von Kaskadensystemen kann der Gesamt-GWP deutlich verringert werden. In unserem Beispiel wird eine Verringerung des direkten Treibhauspotenzials von etwa 53 Prozent erreicht. In der theoretischen Betrachtung sind energetische Gewinne nicht erkennbar. In der Praxis wird allein das deutlich geringere Druckverhältnis auf der Tiefkühlseite zu kürzeren Laufzeiten und somit zu einer Energieverbrauchs-Minimierung führen.
Das Ergebnis
Das System wurde bereits im Jahr 2019 umgesetzt und sichert seitdem die Versorgung des Gastronomiebetriebs zuverlässig und effizient mit Kälte für die Plus- und Tiefkühlung. Die energetische Bilanz konnte sogar noch verbessert werden, indem die Abwärme der Kältemaschine in zwei Warmwasserspeicher geleitet wird und mit Speicherkapazitäten von 300 bzw. 800 Litern den Betrieb umweltfreundlich und kostengünstig mit Warmwasser versorgt. Kälteanlagen sind für einen Betrieb von mehreren Jahren ausgelegt. Deshalb ist die langfristige Verfügbarkeit der Komponenten, aber auch der Betriebsstoffe wie Kältemittel von großer Wichtigkeit. Mit der Entscheidung für die Kältemittelkombination R513A (Plusbereich) und R454C (Tiefkühlung) kann diese Voraussetzung als erfüllt angesehen werden. Weitere Anlagen in der beschriebenen oder in ähnlicher Ausführung sind in Planung. Wichtig ist dabei für den Kältefachbetrieb die Verfügbarkeit zugelassener Komponenten, aber auch klare Kriterien für den Umgang mit der deutlich eingeschränkten Brennbarkeit und Zündfähigkeit der A2L-Kältemittel im Vergleich zu den explosiven Kohlenwasserstoffen wie Propan.