Innovation & Vorentwicklung
Betrachten wir die Geschichte der Kältemittel etwas genauer, stellen wir schnell fest, dass Wasser das erste Kältemittel überhaupt war [1]. Schon 1810 wurden von dem Schotten John Leslie in Edinburgh die ersten Versuche unternommen, Wasser durch die Erzeugung von Unterdruck zu verdampfen. Der Technologiedurchbruch der Kompressionskälteanlagen gelang aber erst durch einen Wechsel auf leichte flüchtige Arbeitsstoffe (Kältemittel) wie Ethylether, Ammoniak oder Kohlendioxid. Wasser war daher, im Gegensatz zu den Wärmekraftmaschinen (z. B. Dampfmaschinen), für viele Jahrzehnte als Kältemittel von der Bildfläche verschwunden. Worin ist das begründet und warum ist es absolut lohnenswert, Wasser als Kältemittel für Kompressionskälteanlagen in den Fokus zu rücken?
Zunächst ist da das Argument der Umweltbeeinträchtigung durch Kälteanlagen. Die prognostizierte Erderwärmung wird den Bedarf an Kühlung und Klimaanlagen weiter steigern – nach Schätzungen des Umweltbundesamts werden sich die damit zusammenhängenden Emissionen durch den Einsatz synthetischer Kältemittel bis 2050 verdreifachen. Wasser besitzt hingegen weder ein Ozonabbaupotenzial (ODP) noch hat es, dank eines GWP-Wertes von Null, eine negative Auswirkung auf den Treibhauseffekt. Ergänzend dazu lassen sich im Vergleich zu anderen Kältemitteln hohe Kälteleistungszahlen erreichen [2]. Die Umwelt wird durch die Verwendung von Wasser als Kältemittel also nur in geringem Maße beeinflusst. Des Weiteren ist Wasser weder toxisch noch brennbar, was einerseits die Handhabung des Kältemittels sicher und unbedenklich macht und andererseits die lokale Umwelt nicht beeinträchtigt.
Vor dem Hintergrund dieser positiven umwelttechnischen Eigenschaften stellt sich somit die Frage, warum bisher so wenige Kaltdampfkompressionsanlagen mit Wasser (R 718) als Kältemittel existieren. Zumal verschiedenste politische Rahmenbedingungen wie die F-Gase-Verordnung Nr. 517/2014 der EU den Druck zur schrittweisen Minimierung umweltschädlicher Kältemittel erhöhen. Der nächste große europaweite Einschnitt erfolgt 2021 mit einer weiteren 18-prozentigen Reduzierung – eine Herausforderung für die Kältebranche, aber auch für jedes Unternehmen, das auf Kühlung seiner Herstellungsprozesse angewiesen ist und planungssicher agieren muss. Doch so naheliegend die Kühlung mit Wasser sein mag, zeigen die Eigenschaften und damit verbundenen Herausforderungen von R 718 im Vergleich zu gängigen Kältemitteln, dass nur eine technologisch anspruchsvolle Lösung ans Ziel führt und die Branche offener für zukunftsorientierte Wege werden muss.
Thermodynamische Eigenschaften von Wasser im Vergleich zu gängigen Kältemitteln
Nachfolgend werden die thermodynamischen Eigenschaften sowie die unmittelbare Auswirkung von R 718 auf die Umwelt im Vergleich zu ausgewählten gängigen Kältemitteln dargestellt [2]. Alle Diagramme in diesem Kapitel wurden mit dem Programm REFPROP [3] erstellt.
Das erste Diagramm (Bild 1.1) stellt die spezifische Verdampfungsenthalpie über der Verdampfungstemperatur dar. Darauf folgen die Diagramme für die Dampfdruckkurven (Bild 1.2), die volumetrische Kälteleistung (Bild 1.3) sowie das benötigte Druckverhältnis (Bild 1.4) für einen konstanten Temperaturhub zwischen Verdampfer und Verflüssiger.
Auffallend ist, dass sich R 718 bei allen betrachteten Eigenschaften sehr deutlich von den im Vergleich abgebildeten Stoffen unterscheidet. Während Wasser etwa bei der spezifischen Verdampfungsenthalpie die mit Abstand höchsten Werte aufweist, lassen sich bei der Dampfdruckkurve zwei Extreme erkennen: Kohlendioxid (R744) bildet die obere Grenze als sogenanntes Hochdruckkältemittel und R718 die untere als sogenanntes Niederdruckkältemittel. Hochdruckkältemittel werden bevorzugt bei niedrigen und Niederdruckkältemittel bei hohen Verdampfungstemperaturen eingesetzt. Mit einer geschickten Kombination dieser beiden Systeme wäre eine komplette Abdeckung des benötigten Temperaturbereichs denkbar.
Die volumetrische Kälteleistung und das benötigte Druckverhältnis bestimmen maßgeblich die Wahl des einzusetzenden Verdichters. Durch die im Vergleich sehr geringe volumetrische Kälteleistung müssen für die gleiche Kälteleistung bei gleicher Verdampfungstemperatur deutlich höhere Volumenströme gefördert werden. Zu guter Letzt bleibt noch das hohe benötigte Druckverhältnis. Wasser liegt nahe dem Gefrierpunkt bei Werten, die gegenüber gängigen Kältemitteln doppelt so hoch sind. Mit steigender Verdampfungstemperatur ist aber eine deutliche Abnahme der Differenz zu erkennen. Diese beiden Eigenschaften stehen bei der Wahl des geeigneten Verdichters erst einmal im Widerspruch, da für hohe Volumenströme bevorzugt Strömungsmaschinen und für hohe Druckverhältnisse Verdränger-Verdichter eingesetzt werden. Aufgrund der fehlenden Verfügbarkeit eines Verdrängers mit hohem Volumendurchsatz setzt man bei R718 auf die zweistufige Verdichtung mittels Turboverdichtern, um einerseits die hohen Volumenströme und andererseits das benötigte Druckverhältnis zu erreichen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Wasser als Kältemittel viele Vorteile mit sich bringt. Aufgrund der positiven Umweltbilanz und dem deutlichen Effizienzgewinn gegenüber gängigen Kältemitteln hat diese Technologie sehr großes Potenzial. Die eChiller Kältemaschinen von Efficient Energy sind heute die einzigen Serienprodukte weltweit, die mit R718 als Kältemittel arbeiten. Das Unternehmen hat dieser Technologie mit Bluezero nun auch einen Markennamen gegeben.
Bluezero kommt etwa bei der Maschinen- und Prozesskühlung in der Industrie (Automobilindustrie, Baustoffindustrie, Kunststoff- und Kautschukindustrie, Chemie- und Pharmaindustrie), der Kühlung von Rechenzentren und Serverräumen sowie der Schaltschrank- oder Gebäudekühlung zum Einsatz.
Verfahrensweisen von Kompressionskälteanlagen
Ganz allgemein bestehen Kompressionskälteanlagen mit dem Kältemittel R718 im Wesentlichen aus den gleichen Komponenten wie herkömmliche Kompressionskälteanlagen [4]: Einem Verdampfer, Verflüssiger, Verdichter und Expansionsorgan. Die Wärmequelle sowie –senke stellen die beiden Schnittstellen der Wärmeübergabe in der Kompressionskälteanlage dar.
In dem für Wasser theoretisch geeigneten Temperaturbereich zwischen 0 °C bis 100 °C liegen die Dampfdrücke unterhalb des Normaldrucks. Das setzt, wie oben gezeigt, einen Betrieb im Grobvakuum zwischen ca. 10 und 1000 mbar voraus. Hinsichtlich der Ausführung der Wärmequellen sowie der Wärmesenken können zwei verschiedene Konzepte unterschieden werden: Konzepte mit externen (Bild 1.5) und internen (Bild 1.6) Wärmeübertragern. Beide Konzepte sind vom grundsätzlichen Aufbau her gleich und bestehen aus einem Kältemodul und den benötigten Wärmeübertragern. Das Kältemodul beinhaltet dabei den Verdampfer, den Verdichter, den Verflüssiger und das Drosselorgan.
Bei genauer Betrachtung des Konzeptes mit externen Wärmeübertragern ist zu erkennen, dass die Wärmeübergänge zwischen dem Kältemittel und dem Kalt- bzw. dem Kühlwasser außerhalb des Kältemoduls in den beiden Plattenwärmeübertragern in der Flüssigphase stattfinden. Die eigentliche Verdampfung, also der Phasenwechsel, erfolgt im Verdampferbereich des Kältemoduls. Nach der Verdichtung wird das dampfförmige Kältemittel in den Verflüssigerbereich geleitet. Hier strömt der Dampf gemeinsam mit flüssigem Kältemittel durch eine Füllkörperschüttung. Dabei kondensiert das gasförmige Kältemittel an der Grenzfläche zum flüssigen Kältemittel komplett aus. Der Kreislauf wird über das selbstregelnde Drosselorgan geschlossen. Für die Umwälzung des flüssigen Kältemittels im Verdampfer- sowie Verflüssigerkreis wird jeweils eine Umwälzpumpe benötigt.
Das Konzept mit den internen Wärmeübertragern unterscheidet sich in der Position der Wärmeübertrager. Der Wärmeübergang zwischen dem Kältemittel und dem Kalt- und Kühlwasser passiert innerhalb des Kältemoduls. Die in das Kältemodul integrierten Ripprohrwärmeübertrager werden jeweils innen mit dem Kalt- bzw. Kühlwasser durchströmt. Die Verdampfung sowie die Verflüssigung erfolgen an der Außenfläche der jeweiligen Wärmeübertrager. Dadurch kann auf die beiden Umwälzpumpen zwischen Wärmeübergabestelle und Verdampfer bzw. Verflüssiger verzichtet werden. Es wird lediglich eine Kältemittelpumpe für die Benetzung des Verdampfers benötigt.
Die Funktionsweise des eChillers am Beispiel des saarländischen Telekommunikationsanbieters VSENet
Der eChiller von Efficient Energy besteht aus zwei identischen Modulen. Die sogenannte Bluezero-Technologie basiert auf der Direktverdampfung, der Verdichtung, der Kondensation und der Entspannung von Wasser bzw. Wasserdampf in einem geschlossenen Kreislauf, der über Plattenwärmeübertrager hydraulisch vom Rückkühler und von der Kühlstelle entkoppelt ist. Dieser Prozess findet in einem Vakuum bei niedrigen Drücken zwischen 10 und 100 mbar und damit in einem Temperaturbereich von etwa 5 °C und 45 °C statt. Das Kältemittel Wasser wird dem Kreislauf einmalig zugeführt – bereits 60 Liter in einem geschlossenen Kreislauf genügen für den eChiller.
Während eine konventionelle Kältemaschine mit einem üblichen Kältemittel und einer Kälteleistung von 30 kW jährlich über Leckage des Kältemittels und Stromverbrauch 24 Tonnen CO2 erzeugt, fallen beim eChiller nur etwa sieben Tonnen durch den Stromverbrauch an (bei Zugrundelegung der direkten und indirekten Emissionen und dem synthetischen Kältemittel R 410 A). Dies bedeutet eine Einsparung von über 70 Prozent der Emissionen, die zudem eine wirtschaftliche Ersparnis für die Unternehmen mit sich bringt. In der Praxis zeigen sich diese Vorteile z. B. im Projekt Rechenzentrumskühlung beim Telekommunikationsanbieter VSENet mit Sitz in Völklingen-Geislautern, die im Auftrag der FAMIS GmbH umgesetzt wurde. FAMIS, deren Hauptanteilseigner VSE ist, bietet unter anderem technische Gebäudeservices über Contracting-Modelle an.
Aufgrund der zu erwartenden steigenden Stromkosten war neben einer hohen Betriebssicherheit und der Reduzierung von CO2-Emissionen eine überdurchschnittliche Energieeffizienz der Anlage die wichtigste Anforderung der Auftraggeber. Darüber hinaus setzte der Kunde aufgrund hoher Systemtemperaturen auf die Free-Cooling-Option, mit der weitere Kostenoptimierungen möglich sind.
So investierte FAMIS im Rahmen des Klimaanlagenumbaus in eine zukunftsfähige Lösung und hat das Rechenzentrum von VSENet mit eChillern ausgerüstet. Für die Kühlung bei einer zu erreichenden Solltemperatur von 18 °C kommen einheitlich wassergekühlte Klimaschränke zum Einsatz, die von den vier im Verbund geschalteten eChillern mit einer Leistung von insgesamt 140 kW mit Kälte versorgt werden. Damit ist dies die derzeit größte Kälteanlage für Serverkühlung in Deutschland, die mit der Bluezero-Technologie von Efficient Energy betrieben wird. Für eine höchstmögliche Verfügbarkeit wurde hier ein zusätzliches Modul als Redundanz installiert. Die geforderte Temperatur auf der Ansaugseite der Racks beträgt max. 27 °C. Ein zusätzlicher Trockenrückkühler mit 235 kW wurde hinter dem Gebäude aufgestellt.
Fazit und Ausblick
Alle kältemittelrelevanten Umwelt- und Sicherheitsvorschriften, die jetzt und in Zukunft für den Betrieb und die Wartung von Kälteanlagen gelten, entfallen mit der Nutzung von R 718. Es senkt die Energiekosten und den wartungstechnischen Aufwand beim Betrieb der Anlage, amortisiert die Investition in eine klimaneutrale Kältetechnik und beeinflusst das globale Klima sowie die CO2-Bilanz der Unternehmen. Ein Kältemarkt mit 100 Prozent natürlichen und klimaneutralen Kältemitteln ist somit möglich, die Technologie ist vorhanden und auch aus wirtschaftlicher Perspektive lukrativ. Die aktuell von den globalen Kältetechnikkonzernen propagierten Übergangskältemittel stellen keine langfristige Option dar und dienen lediglich der Herauszögerung technischer Innovation.
Ab 2021 bringt Efficient Energy ein ergänzendes Modell auf den Markt, das mit einer Kälteleistung bis zu 120 kW (derzeit noch 35 bis 45 kW) weitere Anwendungsgebiete eröffnet und bei dreifacher Leistung die Effizienz um bis zu 30 Prozent steigert. Das Unternehmen bietet den geschlossenen Kältekreislauf auch im Rahmen eines OEM-Modells an: Die Bluezero-Technologie und das Kühlungsprinzip mit Wasser können in ein bestehendes Produkt integriert werden. Eine erste Kooperation dazu ist mit dem Unternehmen Menerga und deren RLT-Gerät Adconair carbonfree gelungen.
Das Unternehmen Efficient Energy
Die Efficient Energy GmbH ist Hersteller und Entwickler von umweltfreundlicher Kältetechnik. Das Unternehmen wurde 2006 gegründet und beschäftigt derzeit über 50 Mitarbeiter am Standort Feldkirchen bei München. Das mittelständische Unternehmen ist europaweit tätig. Die Modellreihe des eChiller setzt als Kältemittel reines Wasser (R718) ein und verzichtet somit vollständig auf fluorierte Kältemittel. Die Efficient Energy GmbH hilft ihren Kunden, die steigenden regulatorischen Herausforderungen der Kältetechnik wie F-Gase-Verordnung und Preiserhöhungen zu meistern. Durch eine signifikante Kosteneffizienz bei gleichzeitig verbesserter CO2-Bilanz profitieren Unternehmen gleich mehrfach. Das Unternehmen wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Rechenzentrumspreis 2017, dem RAC Cooling Industry Award 2017, dem Partslife Umweltpreis 2017 und dem European Business Award for
the Environment 2018/2019. Dieses Jahr kam Efficient Energy unter die Red Herring Top 100 der innovativsten Unternehmen Europas.