Auf der anderen Seite steht ein immer größer werdender Fundus an Vorschriften. Diese sind je nach Regelsetzer mal mehr oder weniger aufeinander abgestimmt. Die endgültige Aussage einer Vorschrift kann in vielen Fällen erst durch ein richterliches Urteil definiert werden. Nachfolgend wollen wir aus dem Blickwinkel des Verdampferherstellers einen Einblick bieten aus welchen Gründen wir CO2 für ein Kältemittel der Zukunft halten.
Vorabbemerkung
Ammoniak wird in vielen Anwendungen eine Alternative sein. Einphasige Kälteträger wie Wasser, Sole, Thermoöle etc. sind ebenfalls eine Alternative. In den weiteren Ausführungen verzichten wir auf die Erörterung dieser Möglichkeiten.
Kurze Historie über die F-Gas Verordnung und ihre Auswirkungen
Am 11. März 2014 wurde über die als EU F Gase bekannt gewordene Verordnung 517/2014 im europäischen Parlament debattiert. [1] Am darauffolgenden Tag wurde sie angenommen. Die Kältemitteldiskussion verschärfte sich daraufhin. Seither sind 5 Jahre vergangen, die Diskussion ist weiterhin in vollem Gange, die unterschiedlichen Interessen der Diskussionsteilnehmer tragen nicht zur Versachlichung der Debatte bei.
Beispielhaft einige Schlussfolgerungen der letzten Jahre:
Das 36th Informatory Note on Refrigeration Technologies/ Dezember 2017 [2] des International Institute of Refrigeration bietet eine Reihe von Schlussfolgerungen, die die Anwendung von brennbaren Kältemitteln betreffen:
Das Umweltbundesamt, die zentrale Umweltbehörde der Bundesrepublik Deutschland, warnt im Juli 2018 vor dem Einsatz von fluorierten Kältemitteln: „Daher rät das Umweltbundesamt, auf fluorierte Kältemittel wie R1234yf zukünftig zu verzichten und stattdessen auf umweltverträglichere Stoffe und Verfahren zu setzen. Für viele Anwendungen gibt es Alternativen mit natürlichen Kältemitteln wie Kohlendioxid, Kohlenwasserstoffen, Ammoniak oder Wasser. Für Pkw-Klimaanlagen bietet sich zum Beispiel das Kältemittel Kohlendioxid an. Es ist nicht brennbar. Im Gegensatz zu R 1234yf, das im Brandfall und an heißen Oberflächen giftige Stoffe wie Fluorwasserstoff und Carbonylfluorid bilden kann – ein Sicherheitsrisiko für Insassen und Rettungskräfte.“ [3]
In Frankreich beginnt wegen der Brandschutzvorschrift CH 35 eine sehr lebhafte Diskussion, ob die leicht brennbaren Kältemittel wirklich eine Alternative darstellen.
Normative Entwicklungen
Die aktuellen Entwicklungen haben Einfluss auf technische Normen. Die Reihe EN 378 wurde im April 2018 in der deutschen Fassung [5] zum zweiten Mal veröffentlicht. EN 378 Teil 2 ist eine harmonisierte Norm [6] der Maschinenrichtline [7]. Das heißt bei deren Einhaltung kann der Hersteller davon ausgehen, dass die Kälteanlage den grundlegenden sicherheitstechnischen Anforderungen der europäischen Union entspricht. Eine Nichteinhaltung der EN 378-2 führt dazu, dass man entsprechende Abweichungen für eine Behörde nachvollziehbar zu dokumentieren hat. Im Zweifelsfall muss selbst nachgewiesen werden, dass das grundlegende sicherheitstechnische Niveau eingehalten ist.
Neben der EN 378-2 findet sich ganz am Anfang der Liste der harmonisierten Normen die EN ISO 12100 [8], eine Norm in der beschrieben wird wie eine Risikoanalyse einer Maschine durchzuführen ist.
In der Risikoanalyse sind sämtliche bekannten Vorfälle an vergleichbaren Anlagen statistisch zu berücksichtigen. Ein Beispiel: An einer bestimmten Anzahl von Luftkühlern treten Korrosionsschäden auf, die zu Leckagen führen, insbesondere in der Normalkühlung. An einer sehr geringen Anzahl von Luftkühlern, insbesondere in der Tiefkühlung, kommt es wegen mangelhafter elektrischer Installation zu einem Brandereignis. Beide Vorfälle sind auf Grund von Kundenrückmeldungen quantifizierbar. Berechnen wir das Risiko für Normalkühlung oder Tiefkühlung sind zwar einige Annahmen zu treffen bzw. zu schätzen aber es existiert ein quantifizierbares Risiko, dass gemindert werden kann. Für diesen Fall stellt das Kältemittel CO2 sicherheitstechnisch die Referenz dar. Der Einsatz anderer Kältemittel erhöht das Risiko.
In EN 378-2 sind weitere Regelungen getroffen, die den Umgang mit brennbaren Kältemitteln erschweren. „Abschnitt 6.2.10 Schutz gegen heiße Oberflächen […] Die Temperaturen an Oberflächen, die bei einer Leckage Kältemittel der Gruppen A2, A2L, B2L, A3, B2 oder B2 ausgesetzt sein könnten darf die Selbstentzündungstemperatur des Kältemittels minus 100 K nicht überschreiten“. Es kann nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass sich ein Kältemittelgemisch während des Verdampfungsvorganges entmischt; und durch eine Leckage nur die brennbare Komponente entweicht.
Ausgewählte Zündtemperaturen einiger Kältemittel:
Stahlheizstäbe zur Abtauung können je nach Ausführung Oberflächentemperaturen von ca. 600°C erreichen.
„Abschnitt 6.4.3.2 Dokumentationspflichten“ im Unterpunkt „j) Hinweis auf Schutzmaßnahmen, Erste Hilfsmaßnahmen und das Verhalten in Notfällen wie z.B. Leckage, Feuer, Explosion“ wirft Fragen auf, ob und wie eine F-Gas Anlage von der Feuerwehr im Brandfall gelöscht werden darf. Bei der Verbrennung von Kältemittel bei hohen Temperaturen entstehen giftige Stoffe, wovor die Feuerwehr im Brandfall gewarnt sein sollte. Unterpunkt „m) Anweisung hinsichtlich des Umgangs mit Kältemitteln und den damit verbundenen Gefährdungen“ bedeutet auch ein Hinweis auf die Umweltgefährdung, die das eingesetzte Kältemittel zu verursachen im Stande ist. Dabei sind auch die Zersetzungsprodukte wie z.B. Trifluoressigsäure aus den HFOs zu beachten.
Die aus diesen zwei Punkten gewonnenen Erkenntnisse sind wiederrum in der Risikobewertung nach ISO 12100 zu berücksichtigen. Das daraus entstehende wirtschaftliche Risiko bei der Wahl des Kältemittels zu bewerten, sollte im Interesse des eigenen Betriebs liegen.
Der Einsatz brennbarer Kältemittel wirft Fragen auf, die bis heute nicht abschließend geklärt sind. Solange es kein Urteil eines Gerichts gibt, bleibt die Frage, wie „legal“ oder „illegal“ der Einsatz eines Kältemittels, ist offen. Durch eine umfassende, dokumentierte Risikoanalyse kann das Risiko für den Betrieb der Kälteanlage als auch für die Haftung im Prozessfall wirkungsvoll reduziert werden. In Absprache zwischen Hersteller und Betreiber kann darauf aufbauen die nach Betriebssicherheitsverordnung geforderte Gefährdungsanalyse erstellt werden.
Der Einsatz von R 744/ CO2 erlaubt es, die Thematik „Brennbarkeit“ und „Vorschriften“ elegant zu umgehen. Gleichzeitig bietet es durch seine außergewöhnlichen Eigenschaften neuen Spielraum für Optimierungen und innovative Gestaltungmöglichkeiten am Kältekreislauf.
Der CO2-Luftkühler
Allgemeine Konstruktionskriterien
Der traditionelle Kältekreislauf besteht vereinfacht aus: Verdampfer, Expansionsorgan, Verflüssiger und Kompressor. Zusätzliche Bauteile wie Sammler, Trockner, Rohrleitungen, Absperr- oder Magnetventile, Regelungsorgane sowie Steuerungselektronik werden im Interesse einer einfachen Darstellung in den meisten Fällen ausgeblendet. Im log p,h Diagramm lässt sich der Kreisprozess mit einem definierten Medium in einem Viereck mit den 4 erstgenannten Komponenten einfach darstellen.
Das Medium CO2 hat als herausragende Besonderheit den kritischen Punkt bei einer Temperatur von 30,98 °C und einem Druck von 73,75 bar. Daraus kann die Besonderheit entstehen, dass die Wärmeabgabe des Kreislaufes transkritisch erfolgen muss.
Das in der Anlage enthaltene CO2 kann im Stillstand je nach Umgebungstemperatur hohe Drücke erreichen. Diese müssen in der Konstruktion berücksichtig werden. In der Normenreihe EN 14276 „Druckgeräte für Kälteanlagen und Wärmepumpen“ aus dem Jahre 2011 ist als Randbedingung ein maximaler Betriebsdruck von 64 bar vorgegeben, die Auslegung eines CO2 Luftkühlers mit einem maximal zulässigen Betriebsdruck von 80 bar wäre daher außerhalb dieser Norm. Die Alternative, die Auslegung der industriellen metallischen Rohrleitung nach EN 13480-3 ist allein vom Umfang der Norm (ca. 400 Seiten) etwas herausfordernd. Der Normentwurf der EN 14276:2017, der den Druckbereich von CO2 einschließt, darf offiziell noch nicht angewendet werden.
Wir berechneten die Mindestwandstärken der Rohre und Rohrbögen nach allen drei Normen (EN 14276:2011, EN 13480-3, E-EN 14276:2017).
Die Erstmuster der Wärmeübertrager wurden einer Berstdruckprüfung unterzogen deren Annahmekritierium eine 3,5 fache Sicherheit zum maximal zulässigen Betriebsdruck ist. Die Prototypen der Baureihen FHV/T, DLK/T und DHN wurden der Prüfung unterzogen. Dabei bestanden alle Wärmetauscher die Prüfung. Schwächstes Bauteil am Luftkühler ist bei Mehrfacheinspritzung grundsätzlich das Sammelrohr.
Alle getesteten Wärmetauscher bestätigten die zuvor durch Kalkulation ermittelten Mindestwandstärken.
Die Wärmeübertragung wird wie bei herkömmlichen Verdampfern durch den Einsatz von innenberippten Rohren verbessert.
Preis/ Leistung
Kälteanlagenkomponenten für CO2 haben den Ruf unverhältnismäßig teuer zu sein. Ein Statement, dass wir nicht nachvollziehen können. Der Luftkühler FHVT 612 EC existiert in einer Ausführung für einen maximal zulässigen Betriebsdruck von PS 25 bar und einer COI 80 bar Ausführung.
Die Gehäuse, Ventilatoren, Abtauheizungen und verfügbaren Optionen sind für beide FHVT 612 EC gleich, einzig die Wärmetauscher unterscheiden sich. Der Luftkühler für CO2 ist absolut ein wenig teurer. Im Preis-/ Leistungsverhältnis setzt sich der CO2 Verdampfer gegenüber einem herkömmlichen Verdampfer durch.
Verdampfer in einer einfachen CO2 Anlage
CO2 Condensing units stellen eine einfache Art da eine Kälteanlage aufzubauen. Es besteht aus einem Außenteil und einem Innenteil und es sind quasi nur noch die Rohrleitungen zu verbinden. Im Verdampfer sind das Expansionsventil sowie der Überhitzungsregler schon fest installiert. Die Installation der Anlage ist daher einfach und schnell durchführbar. Die größte Schwierigkeit bei diesen kompakten CO2 Anlagen stellt die richtige Füllmenge an CO2 dar. Wird die Anlage über- oder unterfüllt erreicht der Verdampfer seine ausgelegte Leistung nicht. Es empfiehlt sich daher der Einbau von Hochdruckschradern und Schaugläsern, um ggf. die Anlage nach Sicht füllen zu können.
EvD Ice der intelligente Überhitzungsregler
Ein elektronisches Expansionsventil kann auf unterschiedliche Betriebszustände reagieren. In Zusammenarbeit mit den Firmen Kälte Fischer und Carel haben wir eine technische Lösung erarbeitet. Wir installieren das Expansionsventil im Verdampfer, inklusive Überhitzungsregler und Notfallstromversorgung. Während eines Stromausfalles fährt ein Kondensatormodul den schrittmotorgesteuerten Stellantrieb zu. Während des normalen Betriebs als Überhitzungsregler wird das elektronische Expansionsventil über einen entsprechenden Druck- und Temperaturfühler gesteuert. Hierbei versucht es einen stabilen Betrieb zu gewährleisten und die Zielüberhitzung zu erreichen.
Die Überhitzungsreglung ist für CO2 ca. 17 Prozent teurer als für herkömmliche Kältemittel, aufgrund der höheren Druckfestigkeit des Expansionventils.
Verdampfer in komplexeren CO2 Anlagen
Seit mehr als zehn Jahren bauen wir CO2-Verdampfer für Supermarktkälteanlagen. In diesem Zeitraum hat sich die CO2-Kältetechnik rasant entwickelt. Von der einfachen Boosteranlage bis hin zur Parallelverdichtung mit Ejektor, Wärmerückgewinnung und Wärmepumpenbetrieb. Dazu kommen immer komplexere Steuerungen, die versuchen die bestmögliche Energieeffizienz aus der Anlage herauszuholen.
Ejektor und ein kleiner Kältemittelsammler ermöglichen es die Normalkühlstellen überflutet zu betreiben. Damit kann einer der Energieeffizienzkiller auf der Verdampferseite ausgeschaltet werden, die Überhitzung. Typischerweise steigt der Wärmeübergang des Kältemittels im Verdampfer bis zu einem Dampfgehalt von x=0,8 stark an und bricht bei höheren Dampfgehalten dann stark ein, in der Überhitzung ist der Wärmeübergang zu Gasströmung entsprechend nochmals geringer. Wird nun ein Verdampfer in einer Bandbreite von x=0,2 bis x=0,8 betrieben wird die Verdampferoberfläche bestmöglich ausgenutzt. Als folge davon kann die Verdampfungstemperatur ansteigen, was wiederrum die Effizienz des Kompressors verbessert.
Ein spannender Nebeneffekt ist, dass die Entfeuchtungsleistung des Verdampfers mit steigender Verdampfungstemperatur immer kleiner wird. Dieser Betriebsmodus stellt das technische Optimum für die Lagerung unverpackter Ware dar.
Der Verdampfer muss dafür mit einem übersteuerungsfähigen Expansionsventil ausgestattet sein. Das EvD- Ice kann via MODBUS übersteuert werden. Das Expansionsorgan öffnet einfach weiter als der Überhitzungsfühler es ihm erlauben würde. Der Ejektor in der Anlage kann auch Flüssigkeit fördern. Flüssigkeit in dessen Saugleitung ist nicht unerwünscht. Sollte der Behälter drohen „überzulaufen“, kann das Expansionsventil auch jederzeit wieder in den gewohnten „Überhitzungsmodus“ gefahren werden.
Ausblick
In zehn Jahren CO2 hat sich die Anlagentechnik weiterentwickelt. Im Hause Roller konnte dies eindrucksvoll am ständig ansteigenden Betriebsdruck der Luftkühler festgestellt werden. Vor zehn Jahren fertigten wir die ersten Luftkühler für einen maximal zulässigen Betriebsdruck von 45 bar. Über die Stufen 55 und 60 bar konnten wir im letzten Jahr die neue CO2 Luftkühlerbaureihen für einen maximal zulässigen Betriebsdruck von 80 bar einführen.
Mit dem zulässigen Betriebsdruck stiegen auch die Stückzahlen der Wärmeübertrager an. Inzwischen beträgt der Anteil an CO2 Luftkühler bei einigen Baureihen über 25 Prozent. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen.
Aus einer CO2 Kälteanlage wird mehr und mehr eine Energietransferanlage. Ein komplexer CO2 Verbund mit Normal-, und Tiefkühlung, Wärmerückgewinnung und Wärmepumpenfunktion sowie Kaltwasserbereitung für die Klimaanwendungen ist eine multifunktionale Anlage. Heizen, Klimatisieren und Kühlen in einer Anlage, ist konstruktiv komplex und regelungstechnisch eine Herausforderung. Die Energieeffizienz einer gut ausgelegten und eingeregelten Anlage sucht ihresgleichen.
Das Kältemittel CO2 wird zu einer Plattform werden, in die sich Investitionen lohnen, und die noch weitere Innovationen hervorbringen wird. Als Komponentenhersteller sehen wir uns der Herausforderung gegenüber, dass die Komponente immer stärker in die Anlage integriert wird und von immer ausgefeilteren Algorithmen geregelt wird. Wird z. B. die Überhitzung in der Mehrheit der Anlagen vernachlässigbar, eröffnet das weiteres Optimierungspotential für unsere Luftkühler.
CO2 ist in einigen Bereichen, wie Supermärkten, bereits das Standardkältemittel. Das technologische Potential von CO2 Kälteanlagen ist gewaltig. Wir erwarten in naher Zukunft eine Ausbreitung der Technologie auf weitere Anwendungsbereiche. Aktuell führen wir die Klimatruhe HKN/D in einer CO2 80 bar-Ausführung in den Markt ein. Weiterhin ist zu erwarten, dass die heute in Verbundanlagen eingeführte Technik sich zukünftig auch auf kleinere „Verflüssigungssätze“ ausbreiten wird.
Wenn Sie Luft mit der Hilfe von CO2 abkühlen wollen, wir finden schon heute eine gute Lösung.
Schlussbemerkung
Der Fokus dieses Artikels liegt auf der Anwendung von Luftkühlern im CO2-Kälteanlagen. Für einen tiefergehenden Einblick in die Anlagentechnik empfehlen wir den Artikel: Transcritical R744 refrigeration systems for supermarket applications: Current status and future perspectives. [11]