Im Juni 2021 wurde die Kältetechnik an der Markant-Tankstelle in Lüdinghausen mit einer Verbundanlage und zwei TK-Einzelanlagen in Betrieb genommen. Für die Verbundanlage kommt das aus dem Automobilbereich bereits bekannte Opteon XL10 (R 1234yf) zum Einsatz. Die TK-Einzelanlagen werden mit Opteon XL20 (R454C) betrieben.
Warum R 454C? Es ist ein Low-GWP-Kältemittel mit einem besonders niedrigen Treibhauspotenzial von 148 GWP-Punkten. Damit ist das Kältemittel nicht von den Inverkehrbringungsbeschränkungen und -verboten für Kälteanlagen in der F-Gas-Verordnung betroffen, denn diese beginnen für verschiedene Anlagentypen bei 150 GWP-Punkten oder höher. Da die Quote für das Inverkehrbringen neuer Kältemittel an den GWP-Wert gekoppelt ist, ist deren Belastung mit 148 Punkten gering. Das wirkt sich positiv auf die Verfügbarkeit des Kältemittels aus. Hoch-GWP-Kältemittel könnten hingegen in den nächsten Jahren durch die Beschränkungen und Verbote schwerer zu beziehen sein. Folgen wären Lieferengpässe und eine erhöhte Nachfrage nach Alternativen. Low-GWP-Kältemittel wie R 454C stellen dann eine gute Lösung dar.
R 454C hat sehr gute thermodynamische Eigenschaften. Das Gemisch, bestehend aus R 32 und R 1234yf, bietet einen Anwendungsbereich für Verdampfungstemperaturen von +25 bis –40 ° C. Damit ist es vom TK-Bereich bis zum NK-/Klima- und Wärmepumpen-Bereich vielseitig einsetzbar – und das bei guten COP-Werten, also mit einer sehr guten Energieeffizienz.
Die Brennbarkeit des Kältemittels wird oft als Herausforderung angesehen. Umso überraschender ist es, dass sich die Arbeit in der Praxis durch das A2L-Kältemittel weniger verändert hat, als es bei anderen neuen Technologien der Kältetechnik der Fall ist. Dies bestätigt auch Oliver Hölscher, Servicetechniker bei der Michels Haustechnik GmbH. Vor allem die Befüllung der Anlage ist eine Besonderheit im Umgang mit einem A2L-Kältemittel. Hier sind das richtige Werkzeug und Fachwissen gefragt. Schließlich kann bei falscher Handhabung eine brennbare Atmosphäre entstehen. Für einen Fachmann ist dies jedoch eine beherrschbare Situation. Die Einstufung A2L bedeutet zudem, dass das Kältemittel schwer entflammbar ist. Das minimiert das Risiko gegenüber einem A3-Kältemittel deutlich.
Auch Ralf Karthäuser, Geschäftsführer der Michels Haustechnik GmbH, musste bereits in der Planungsphase ein besonderes Augenmerk auf die Brennbarkeit des Kältemittels im Rahmen der Risikobewertung legen. Mit den Faktoren Raumvolumen und Füllmenge wird ermittelt, ob sich im Störungsfall eine brennbare Atmosphäre bilden könnte. Hilfe bei der Kalkulation bietet der Chemours Opteon XL Refrigerant Charge Calculator (Füllmengenrechner).
Neben Daten, wie einem Raumvolumen des Shops von 263 m³ und einer Füllmenge von 2,05 kg, benötigt der Rechner gemäß EN 378 noch weitere Angaben wie Anwendungsgebiet, Zugänglichkeit und Bauart. Die damit generierte Grafik (Bild 1) veranschaulicht übersichtlich, welche Füllmengengrenzen sich bei entsprechender Raumgröße ergeben. Die gelbe Markierung zeigt, wo sich die Kälteanlage einordnet.
Bei der Kälteanlage für den TK-Schrank im Shop liegt der Wert unter dem praktischen Grenzwert des Kältemittels (violett markierter Bereich). Im Falle einer Leckage sowie beim Austreten des gesamten Kältemittels würde sich keine brennbare Atmosphäre bilden. Die Installation weiterer Sicherungsmaßnahmen ist damit nicht notwendig, was der Rechner in Bild 2 darstellt.
Da das Raumvolumen in der TK-Zelle geringer ist als im Shop, ändern sich die Anforderungen für Sicherungsmaßnahmen schon bei kleineren Füllmengen. Die EN 378 betrachtet in Teil 1 aber auch die Zugänglichkeit zum Raum, die im Falle der TK-Zelle nur befugten Personen gestattet ist. Außerdem wird der Zugang limitiert, denn bei einer Raumgröße von 10 m² darf sich nur eine Person darin aufhalten. Der Calculator ermittelt entsprechend für die TK-Zelle, dass keine weiteren Maßnahmen notwendig sind.
Neben den Sicherheitseinrichtungen müssen auch alle anderen Komponenten in der Risikoanalyse betrachtet werden. Sie müssen beispielsweise für Fluidgruppe 1 der Druckgeräterichtlinie zugelassen sein. Hilfreich sind hier die kompletten Verflüssigungssätze, die Tecumseh zuvor an die Markant-Tankstelle geliefert hat. Das Aggregat ist komplett für A2L-Kältemittel freigegeben. In der Planung werden die Verflüssigungssätze als ein Bauteil betrachtet. Die Einzelbetrachtung der Komponenten entfällt und führt zur Erleichterung der Arbeit bei der Planung.
„Die einfache Planung, Installation und Inbetriebnahme sowie die gute Funktionsweise stehen den Anlagen, die mit A1-Kältemitteln betrieben werden, in nichts nach“, beschreibt Geschäftsführer Karthäuser die Kälteanlagen der Markant-Tankstelle. Das Projekt zeigt damit, dass der Einsatz von A2L-Kältemitteln selbst an sensiblen Orten wie Tankstellen problemlos möglich ist. Die hohe Energieeffizienz gegenüber anderen Anlagentechnologien wirkt sich maßgeblich auf den TEWI (Total Equivalent Warming Impact) aus. Denn die direkten Emissionen durch das Kältemittel tragen laut Hans-Dieter Küpper, Technical Marketing Specialist bei Chemours Deutschland GmbH, aufgrund der niedrigen GWP-Werte nur noch sehr wenig zu den Gesamtemissionen bei. Auf diese Weise rückt der Energieverbrauch in den Fokus und damit ist die Energieeffizienz der Anlage die entscheidende Größe. Weitere Anlagen mit Low-GWP-Kältemitteln wie R 454C sind wichtige Schritte, um das Ziel des Phase-Down in der F-Gas-Verordnung zu erreichen. Sie werden einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten.