Diese Anforderungen treten jedoch im Hinblick auf die Umwelt in den Hintergrund. Vor allem die Diskussionen über den Treibhauseffekt auf unserem Planeten haben fluorierte Gase (F-Gase), die zur Erwärmung der Erdatmosphäre beitragen und als Kältemittel in Klimaanlagen und Kühlgeräten eingesetzt werden, in den Fokus politischer Entscheidungen gerückt. Zum 1. Januar 2015wird die neue F-Gase-Verordnung (EU) NR. 517/2014 in der Europäischen Union in Kraft treten – mit weitreichenden Folgen für Kälte- und Klimafachbetriebe. In dieser Verordnung werden unter anderem die teilfluorierten Kohlenwasserstoffe (HFKW) geregelt, zu denen zum Beispiel R 134 a, R 404 A, R 507, R 407A/C/F und R 410 A gehören. Mit der EU-Verordnung sollen die Emissionen fluorierter Treibhausgase gesenkt werden.
Klassifizierung von Kältemitteln
Das Handwerk teilt Kältemittel üblicherweise nach ihrem Temperaturverhalten ein, z. B. Kältemittel für Tiefkühlung, Klimaanlagen, Wärmepumpen, Molkereiprodukte und Kaltwassererzeuger. In Zukunft müssen darüber hinaus die Kältemittel nach Sicherheitskriterien, direkten Einflüssen auf die Umwelt und Effizienz beurteilt werden.
Kältemittel gliedern sich nach ihren toxikologischen Eigenschaften in zwei Gruppen: Gruppe A (nicht oder gering toxisch) und Gruppe B (toxisch). In Bezug auf die Brennbarkeit erfolgt eine Dreiteilung: Gruppe 1 (alle Stoffe, die nicht zündfähig sind), Gruppe 2 (Kältemittel, die nur unter bestimmten Bedingungen brennbar sind) und Gruppe 3 (hochentzündliche Kältemittel, wie Propan oder Isobutan). Neu ist die Gruppe 2L – zwischen Gruppe 1 und 2 –, zu der R 1234 yf gehört, das in der Automobilindustrie eingesetzt wird. Zukünftig werden Kältemittelfüllmengen nicht mehr nach Kilogramm, sondern nach Treibhauspotential (GWP = Global warming potential) in CO2-Äquivalenten gewichtet.
Phase-Down-Szenario
Mit dem Phase-Down-Szenario der F-Gase-Verordnung soll die schrittweise Reduktion (Phase-Down) der Mengen an teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKW) umgesetzt werden, die in der EU in Verkehr gebracht werden dürfen. Referenz für das Jahr 2015 sind die in 2009 bis 2012 in der EU durchschnittlich in Verkehr gebrachten Mengen, gemessen in CO2-Äquivalenten. Ausgehend von 100 Prozent im Jahr 2015 wird eine Reduktion auf 21 Prozent im Jahr 2030 angestrebt. Hinter dem Phase-Down steckt eine enorme Herausforderung für die gesamte Branche der Kälte-, Klima- und Wärmepumpentechnik. Die Reduzierung der GWP-Äquivalenzwerte zwingt alle Beteiligten in andere Techniken.
Beschränkung des Inverkehrbringes und der Verwendung
Mit der EU-Verordnung wird das Inverkehrbringen und die Verwendung von Kältemitteln mit einem GWP-Wert 2 500 (u. a. R 404 A, R 507, R 422 A, R 422 D) sukzessive verboten. Als Alternativen kommen R 407 A mit einem GWP von 2 107 und R 407 F mit einem GWP von 1 824 in Frage. Auch neue Kältemittel und -gemische auf HFO-Basis mit niedrigem GWP, brennbare Kältemittel und R 744 (CO2) werden an Bedeutung gewinnen.
Kontrolle auf Dichtigkeit
Kälteanlagenbetreiber haben bestimmte Kontrollintervalle auf Dichtigkeit einzuhalten. Für die Festlegung dieser Intervalle werden nicht mehr die Füllmengen in Kilogramm, sondern die CO2-Äquivalenzwerte herangezogen. Sämtliche Kälteanlagen müssen zukünftig nicht nur mit der Art des Kältemittels und dem Füllgewicht, sondern zusätzlich mit den aus den GWP-Werten zu berechnenden CO2-Äquivalenzwerten gekennzeichnet werden.
Kältemittel-Alternativen
Mit der neuen EU-Verordnung stehen deutlich weniger CO2-äquivalente Mengen an Kältemitteln zur Verfügung. Durch den Einsatz von Kältemitteln aus der 407er-Serie würde sich der GWP-Wert bestehender An-lagen sofort auf die Hälfte reduzieren lassen.Die chemische Industrie verfügt für die Schaffung neuer Kältemittelgemische nur über wenige Grundstoffe, die aber in der Regel brennbarer Natur sind. Um den Einsatz schwer entzündlicher Stoffe möglich zu machen, werden in den Normen neue Klassifizierungen der Kältemittel vorgenommen. Mit mbv (maximum burning velocity) ist die maximale Flammen-Ausbreitungsgeschwindigkeit definiert. Bleibt diese neben den Kriterien der Klasse 2 unter 10 cm/s, fallen diese Kältemittel in die neu definierte Brennbarkeitsstufe 2L. Die Normänderung wird in Kürze erfolgen.
Die Industrie unternimmt große Anstrengungen, neue Kältemittelgemische zu kreieren. So gibt es als Ersatz für R 134 a neue Kältemittel mit einem GWP-Wert von ca. 600 sowie als Ersatz für R 404A/R 507 Kältemittel mit einem GWP-Wert von ca. 1 500. Es gibt allerdings eine GWP-Grenze (ca. 500), unter der eine Entwicklung nicht brennbarer Stoffe nicht mehr möglich sein wird. Das hat zur Folge, dass Hersteller jeweils zwei Ersatzmöglichkeiten (brennbar mit GWP um 300 und nicht brennbar mit GWP um 1 400) anbieten werden.
Alternative R 744 (CO2)
Das natürliche Kältemittel R 744 (CO2) ist nicht brennbar und mit einem GWP-Wert von 1 ausgestattet. Für die qualitativen Anforderungen an Kältemittel existieren einschlägige Normen. Darin fehlt allerdings die Anforderung an R 744. Deshalb hat die Westfalen Gruppe für den Vertrieb dieses Kältemittels auf der Informationsgrundlage von Verdichter- und Komponentenherstellern, von Anlagenbauern und Universitäten eigene Qualitätskriterien festgelegt. Vor allem der Anteil an Feuchtigkeit (Wasser/H2O) muss, um Hydratbildung und Korrosion zu verhindern, sehr gering gehalten werden. Aufgrund des sehr hohen Tripelpunktes von CO2 ist die Entnahme aus den Flaschen zum Befüllen der Anlage in gasförmiger und flüssiger Form notwendig. Daher hat die Westfalen Gruppe die T33-Flasche mit Doppelanschlussventil eingeführt. Da vor allem für den Service ein kleinerer Flaschentyp notwendig ist, wurde auch die 13,4-Liter-Flasche in Aluminiumausführungund mit Doppelanschlussventil ausgestattet.
Alternativen: NH3 und Kohlenwasserstoffe
Eine weitere Alternative ist Ammoniak (NH3). Allerdings ist durch die Toxizität unddie eingeschränkte Materialverträglichkeit der Einsatz in der gewerblichen Kältetechnik eingeschränkt und eher im industriellen Sektor möglich. Propan, Isobutan und Propen sind als Kältemittel in kleinsten Anlagen(z. B. Kühlschränke) bereits erfolgreich eingesetzt worden. Für eine gewerbliche Anwendung sind vor allem deutlich höhere sicherheitstechnische Anforderungen zu berücksichtigen. Diese treiben allerdings den Aufwand und vor allem die Kosten in die Höhe.
Was bleibt zu tun?
Der verstärkte Einsatz von natürlichen Kältemitteln erfordert ein angepasstes Ausbildungsprogramm, das den Einsatz von Kältemitteln mit hohen Drücken sowie brennbaren oder toxischen Kältemitteln berücksichtigt. Neben den thermodynamischen und elektrotechnischen Grundlagen müssen verstärkt Richtlinien und Normen im Bereich der Sicherheit praxisnah vermittelt werden. Die Westfalen Gruppe unterstützt mit Vorträgen und Schulungen – auch zum Thema Umgang mit brennbaren Kältemitteln. Ob die vorgeschlagene Übergangszeit für die Umsetzung der F-Gase-Verordnung europaweit ausreicht, bleibt abzuwarten.
Honeywell senkt HFKW-Produktion um die Hälfte
Honeywell will die Produktion seiner Kältemittel mit niedrigem Erderwärmungspotenzial (GWP) erhöhen und im Gegenzug die Herstellung von Hydrofluorkohlenwasserstoffen (HFKW) mit hohem GWP in den nächsten fünf Jahren um fast 50 Prozent reduzieren, in CO2-Äquivalenten ausgedrückt.
Konkret geht das Unternehmen davon aus, dass der Ersatz der HFKW durch seine Solstice-Produkte mit niedrigem GWP bis 2025 um über 350 Mio. Tonnen in CO2-Äquivalenten sinken wird. Das kommt der Entfernung von weltweit 70 Mio. Fahrzeugen von den Straßen über ein Jahr hinweg gleich.
Honeywell und seine Zulieferer wollen in den nächsten Jahren, vor allem in den USA, insgesamt nahezu 900 Mio. US-Dollar in Forschung und Entwicklung sowie in neue Kapazitäten investieren, um die nächste Generation unter anderem von Kältemitteln herzustellen. Deren GWP entspricht dem von Kohlendioxid oder unterschreitet es sogar. Das Erderwärmungspotenzial liegt mindestens 99 Prozent unter dem der meisten heute verwendeten Techniken.
Der amerikanische Kältemittelhersteller hat die Produktion von Fluorkohlenwasserstoffen seit 2007 bereits um 30 Prozent gesenkt. Ziel ist es, dass die Anwender ihre Treibhausgasemissionen senken, ihre Energieeffizienz steigern und die von den Umweltschutzbehörden geforderten schärferen Auflagen erfüllen können.
Bereits heute gibt es von Honeywell unterschiedliche Hydro-Fluor-Olefin-Produkte (HFO-Produkte) mit einem besonders geringen Erderwärmungspotenzial. Damit bilden sie energieeffiziente, effektive sowie nicht ozonschädigende Alternativen zu HFKW. Zur Solstice-HFO-Produktlinie gehören entsprechende Kältemittel, die von Klima-anlagen- und Kühlaggregateherstellern weltweit eingesetzt werden.
Harald Conrad,
Technischer Berater Kältemittel, Westfalen Gruppe, Münster